Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

§* 99 Die Verbindung der allgemeinen Landesverwaltung usw. 111 
sondern der Politik sei. Staatsrechtlich könne es sich nicht handeln 
um einen Zwischenbau zwischen Staat und Gesellschaft, sondern 
zwischen Staat und Untertanen. Selbstverwaltung sei demnach 
diejenige obrigkeitliche Verwaltung, welche nicht durch Behörden 
und Beamte des Staates, sondern durch ihm zwar untergeordnete, 
aber innerhalb ihres Wirkungskreises selbständige Korporationen 
oder Einzelpersonen versehen werde. Diese Auffassung hat in der 
Literatur ziemlich allgemeinen Anklang gefundenn). Bei jener Be- 
griffsbestimmung bleibt aber zunächst unklar, was „innerhalb ihres 
Wirkungskreises selbständig“ bedeuten soll. Innerhalb seines 
Wirkungskreises selbständig ist zweifellos auch jeder Richter, und 
doch wird die Selbstverwaltung der Staatsverwaltung gegenüber- 
gestellt. Aus den Beispielen geht hervor, was mit der Selbst- 
verwaltung gemeint ist, Verwaltung durch Städte, Landgemein- 
den, Patrimonial= und Standesherren, also, wenn man von der 
für das heutige Staatsrecht kaum mehr in Betracht kommenden guts- 
und standesherrlichen Verwaltung absieht, nichts anderes als die 
Kommunalverwaltung. Dieser Begriff wird aber getrübt durch 
fremde Bestandteile, wie Selbständigkeit und Einzelpersonen, weil 
sonst der Begriff der Selbstverwaltung nicht für den juristischen 
Aufbau des Reichsstaatsrechts verwertbar gewesen wäre. Ist aber 
Selbstverwaltung nichts anderes als Kommunalverwaltung, so 
kann jenes Wort für das Staatsrecht überhaupt entbehrt werden. 
So wertvoll daher das Wort Selbstverwaltung für die Politik 
sein mag, wenn man im ursprünglichen Gneistschen Sinne einen 
festen Begriff damit verbindet, so schädlich wirkt es im Staats- 
rechte, wo es entweder überhaupt keinen Begriff oder den der 
Kommunalverwaltung bezeichnet, unter allen Umständen aber einen 
verwirrenden Einfluß ausübt. 
8§ 99. Die Verbindung der allgemeinen Landesverwaltung 
mit der Kommunalverwaltung. 
Alle staatlichen Aufgaben werden gelöst durch die allgemeine 
Landesverwaltung oder durch die Kommunalverwaltung, alle 
15) So bei Zorn, StR. § 5; Ulbrich in Grünhuts Ztschr. Bd. 9, 
S. 14 ff.; Gareis, Allg. StNR. § 32; Gaupp, WMürtt. StR. 8 .27. 
VgI. jedoch besonders den angeführten Aufsatz von Nosin a. a. O., 
der S. 309 für Selbstverwaltung im staatsrechtlichen Sinne erklärt die 
Anerkennung eines nicht souveränen politischen Gemeinwesens durch das 
souveräne als verwaltende Rechtspersönlichkeit. 
 
	        
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