8 102 Grundlagen des städtischen Verbandes. 129
aber gleichwohl nicht mit dem aktiven und passiven Wahlrecht
gleichstellten, mußte das Bürgerrecht selbst jeden rechtlichen Inhalt
verlieren. Es ist also nur eine von mehreren Voraussetzungen
der Wahlberechtigung. Als Voraussetzung privatrechtlicher Befug-
nisse innerhalb der Gemeinde an Stiftungen usw. kann es immerhin
von Bedeutung sein.
Die Bedingungen für die Erlangung des Bürgerrechts sind
nach den einzelnen Städteordnungen verschieden. Nach denjenigen
für die alten Provinzen, für Schleswig-Holstein und für Frank-
furt a. M. erwirbt das Bürgerrecht jeder selbständige Preuße, in
Schleswig-Holstein und Hessen-Nassau deutsche Reichsangehörige,
der sich im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befindet, wenn er seit
einem Jahre
1. Einwohner des Stadtbezirks ist und zur Stadtgemeinde
gehört,
2. keine Armenunterstützung aus öffentlichen Mitteln em-
pfangen, in Schleswig-Holstein jede nach dem 18. Lebens-
jahre empfangene zurückgezahlt hat#),
3. die ihn betreffenden Gemeindeabgaben gezahlt hat, und
4. einen gewissen Zensus erreicht.
In Hessen-Nassau besteht für das Erfordernis zu 1 eine zwei-
jährige Frist, für die anderen Erfordernisse gar keine.
Bei Berechnung der Wohnsitzzeit kommt in den Fällen, wo
ein Haus durch Vererbung auf einen anderen übergeht, den
Erben die Besitzzeit des Erblassers zugute. Als selbständig
gilt nach vollendetem 24., in Schleswig-Holstein 21.5) Lebens-
jahre jeder, der einen eigenen Hausstand hat, sofern ihm nicht das
Verfügungsrecht über sein Vermögen oder dessen Verwaltung durch
richterliche Entscheidung entzogen ist. Der Zensus wird verschieden
bemessen. Erforderlich ist entweder
a) der Besitz eines Wohnhauses im Stadtbezirke, das in Schles-
4) Armenunterstützung liegt auch in der Aufnahme eines hilfs-
bedürftigen Einwohners oder seiner Familienangehörigen in ein öffent-
liches Krankenhaus. Vgl. Entsch. des OV#G. vom 18. Mai 1900, Bd. 37,
S. 17. Das Reichsgesetz vom 15. Mai 1909 findet nur Anwendung
uf öffentliche Rechte aus Reichsgesetzen. Vgl. Oertel, Städteordnung,
48.
5) § 7 der Sch.-H. St O. schließt Minderjährige aus, übernimmt
also die Altersgrenze aus dem jeweilig geltenden Privatrechte.
Vornhak, Preußisches Staatsrecht II. 2. Aufl. 9