Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

10 Das Verwaltungsrecht. § 87 
auch die der patrimonialen oder städtischen Untergerichte die juristi- 
schen Prüfungen regelte. In der Verwaltung sah es König Friedrich 
Wilhelm I. gern, wenn Leute aus dem praktischen Leben eine 
Stelle einnahmen. Da jedoch solche nur schwer zu bekommen waren, 
mußte man auf die Ausbildung eines jüngeren Nachwuchses be- 
dacht sein. Für das Studium der Staatswissenschaften wurden daher 
1727 besondere kameralistische Professuren in Halle und Frank- 
furt a. O. begründet. Außer dem Universitätsstudium wird eine 
längere unentgeltliche praktische Tätigkeit bei den Gerichten oder 
Verwaltungsbehörden erfordert, nach deren Beendigung erst die 
endgültige Anstellung des Beamten gegen Gehalt erfolgt. Die 
unteren Stellen, besonders die der Vollzugsbeamten im Justiz-, 
Polizei= und Steuerdienste, werden durchgängig für ausgediente 
Soldaten nach vorheriger Prüfung ihrer Schulkenntnisse vorbe- 
halten. Dazu tritt ein umfassendes Kautionssystem für den Kassen- 
beamten, die auch von den sonst seit dem Großen Kurfürsten 
üblichen Zahlungen an die Chargen= oder Rekrutenkasse befreit 
werden. Alle Normen über die Voraussetzungen zur Bekleidung 
öffentlicher Aemter sind jedoch dem Könige gegenüber nicht zwingen- 
der Natur. Es bleibt ihm ausdrücklich vorbehalten, jederzeit auch 
anderen Personen ein Amt zu verleihen. 
Der preußische Staat hatte in seiner politischen Entwicklung die 
anderen deutschen Staaten weit überflügelt. Während diese noch 
bis Ende des 18. Jahrhunderts in den Fesseln des ständischen 
Patrimonialstaates sich befanden, war in Brandenburg-Preußen 
die moderne Staatsidee im wesentlichen schon unter dem Großen 
Kurfürsten zum Siege gelangt. Die unter den drei Regierungen des 
Großen Kurfürsten, Friedrichs III./I. und Friedrich Wilhelms I. 
ausgebildeten Grundsätze über das Beamtenrecht bleiben während 
des ganzen 18. Jahrhunderts unerschüttert. Seit Mitte des 
18. Jahrhunderts zeigt sich aber auf allen Gebieten des öffent- 
lichen Lebens eine zunehmende Erschlaffung der Staatsidee. Es 
ist nicht mehr wie unter Friedrich Wilhelm I. der König, der un- 
beschränkt herrscht und alle einseitigen sozialen Bestrebungen zu- 
rückzudrängen vermag. Seit Ende des siebenjährigen Krieges haben 
sich die bisherigen Gehilfen der absoluten Königsherrschaft zu einer 
neuen herrschenden Gesellschaftsklasse innerhalb des Staates aus- 
gebildet, die nach Aufnahme des Adels in ihre Kreise nunmehr
	        
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