208 Das Verwaltungsrecht. 8 111
zu leisten hatte, der über seine leibeigenen Hintersassen die Gerichts—
barkeit ausübte.
Aber auch in den von Deutschen besiedelten Landesteilen er—
hielt sich die Unabhängigkeit der Landgemeinden von den Ritter—
gutsbesitzern nicht lange. Die Geldnot der Landesherren nötigte
sie seit Mitte des 13. Jahrhunderts zu fortgesetzten Veräußerun—
gen ihrer landesherrlichen Rechte über die Bauern an die Ritter-
gutsbesitzer. Diese erwarben nach und nach das landesherrliche
Obereigentum über die Schulzen= und Bauerngüter und damit
die auf ihnen haftenden Leistungen zugunsten des Landesherren,
wie Lehenware und Stellung des Lehenpferdes seitens des Schulzen,
Zinszahlungen und Leistung von militärischen Hand= und. Spann-
diensten seitens der Bauern. Die militärischen Leistungen, von
denen die Rittergutsbesitzer keinen Gebrauch machen konnten,
wurden dabei in Hofdienste zur Bestellung des gutsherrlichen Ackers
verwandelt. Die Rittergutsbesitzer erwarben ferner über die bei
ihren Gütern belegenen Dörfer die bisher vom landesherrlichen
Vogte geübte Gerichtsbarkeit und Polizei, sowie das Kirchen-
patronat.
Im Laufe weniger Menschenalter von Mitte des 13. bis
Anfang des 14. Jahrhunderts hat sich somit auf dem flachen
Lande des östlichen Deutschland durch die fortgesetzten Ver-
äußerungen eine der größten politischen Umwälzungen vollzogen.
Der Rittergutsbesitz hat allgemein eine Herrschaftsstellung über
den kleineren bäuerlichen Besitz gewonnen. Der Bauer befindet
sich in einer wirtschaftlichen Abhängigkeit vom Großgrundbesitze.
Die Rittergutsbesitzer sind Obereigentümer aller bäuerlichen Grund-
stüücke und verlangen auf Grund dessen von den Bauern be-
stimmte Leistungen an Zins und Diensten. Diese wirtschaftliche
Herrschaft ist aber zugleich eine politische. Der Gutsherr übt die
Gerichtsbarkeit und Polizei über seine Hintersassen, er stellt auf
Grund seiner Lehnsherrlichkeit über das Schulzengut den Schulzen,
auf Grund seines Kirchenpatronats den Psarrer über das ihm
untergebene Dorf an. Die Umwälzung zugunsten des Ritterguts-
besitzes ist so allgemein, daß schon unter Kaiser Karl IV. die
Erinnerung an den früheren staatsrechtlichen Zustand fast verloren
ist, wie die häufig in seinem Landbuche wiederkehrende Bemerkung
beweist, früher solle diese oder jene gutsherrlichen Rechte alle