210 Das Verwaltungsrecht. l 111
dem erblichen Schulzenamte belehnten Familie wurde vielfach das
Schulzenlehen vom Gutsherrn eingezogen, und die Verwaltung
des Schulzenamtes statt des Lehnschulzen einem nur auf Lebens-
zeit oder auf eine bestimmte Anzahl von Jahren vom Gutsherrn
bestellten Setzschulzen übertragen, der sich schon durch die Art seiner
Bestellung in größerer Abhängigkeit vom Gutsherrn befand. Bei
Ausübung der dem Schulzen zustehenden niederen Gerichtsbar-
keit war bisher die versammelte Bauerngemeinde als Urteilsfinder
tätig gewesen. An die Stelle der ganzen Gemeinde traten im
16. Jahrhundert zwei, bisweilen aber auch drei, vier oder fünf
von der Gemeinde auf Lebenszeit gewählte Schöffen. Die Ueber-
macht des Gutsherrn verhindert auch jetzt die Ausbildung der
Landgemeinden zu öffentlichrechtlichen Genossenschaften und kommu-
nalen Verbänden. Lediglich in dem allmächtigen Gutsherrn ver-
körpert sich die Gemeinde, die Bildung einer besonderen Korpo-
ration erscheint daneben unmöglich. Im Gegensatze zu der
genossenschaftlichen Organisation der Städte ist die Verwaltung
des flachen Landes herrschaftlich.
Erst im 18. Jahrhundert, besonders unter Friedrich
Wilhelm I., wird die Uebermacht der Gutsherrlichkeit gebrochen.
Die wirtschaftliche Abhängigkeit des bäuerlichen Besitzes vom
Großgrundbesitze und die persönliche Erbuntertänigkeit bleiben zwar
bestehen. Aber es findet ein wirksamer Schutz des Bauernstandes
bei Uebergriffen der Gutsherren statt. Für die Wiederbesetzung
erledigter Bauernstellen wird durch die schärfsten staatlichen Zwangs-
mittel gesorgt, eine Steigerung der bäuerlichen Leistungen durch
die Willkür des Gutsherrn ist fortan unmöglich. Auf den könig-
lichen Domänen zeigen sich auch schon einige Versuche, die Unter-
tänigkeitsverhältnisse überhaupt zu lösen. Wie aber im all-
gemeinen die wirtschaftliche Abhängigkeit der Bauern erhalten,
nur eine wirksame staatliche Aufsicht hergestellt wurde, so auch die
natürliche Folge dieses wirtschaftlichen Zustandes, die politische
Herrschaftsstellung des Großgrundbesitzes. Der Gutsherr ernennt
also auch fernerhin Schulzen und Pfarrer, er übt die guts-
herrliche Gerichtsbarkeit und Polizei über das Dorf. Aber auch
hier macht sich der Einfluß des absoluten Staates geltend. Die
Gutsherren werden genötigt, die ihnen zustehenden staatlichen
Hoheitsrechte nach den vom Staate erlassenen Normen und unter