§ 88 Rechtsauffassungen vom Staatsbienste. 15
Staatsdienstvertrages), wobei man allerdings schon zum Teil
(Seuffert) eine Pflicht der einzelnen Untertanen zur Eingehung des
Staatsdienstvertrages annimmt, und dadurch den Uebergang zu
einer neuen staatsrechtlichen Lehre anbahnt.
II. Ein vollständiger Umschwung in der Anschanung vom
Staatsdienste und eine theoretische Behandlung vom staats-
rechtlichen Standpunkte vollzieht sich erst, nachdem das ALR.
durch seine bedeutsame Kodifikation des Beamtenrechts der Wissen-
schaft eine neue Bahn gewiesen hatte. Die neue Richtung in der
Behandlung des Beamtenrechts wird begründet von Gönner in
der 1808 erschienenen Schrift „Der Staatsdienst aus dem Gesichts-
punkte des Rechts und der Nationalökonomie betrachtet.“ Gönner
schließt sich durchaus der landrechtlichen Lehre von den Hoheits-
rechten an, aus der dann der staatsrechtliche Charakter des Be-
amtenrechts gefolgert wird. Alles öffentliche Recht besteht in
den einzelnen Hoheitsrechten zur Erreichung der Staatszwecke.
Was nicht unter die Hoheitsrechte fällt, ist Privatrecht. Soll
nun das Beamtenrecht nach den Gesichtspunkten des öffentlichen
Rechts behandelt werden, so muß man es unter irgend ein Hoheits-
recht bringen!). Das Recht der Aemterverleihung ist ein Hoheits-
recht gegenüber den Untertanen, die sich die Ausübung der Staats-
gewalt durch den Beamten an Stelle des Landesherrn gefallen
lassen müssen. Es ist aber auch ein Hoheitsrecht gegenüber dem
zu ernennenden Beamten. Diesem letzteren Rechte muß irgend
eine Pflicht entsprechen, sonst läge kein Recht vor. Eine öffentlich-
rechtliche Behandlung des Staatsdienstes ist nicht denkbar, wenn
man ihn nicht unter die Hoheitsrechte bringt, ein Hoheitsrecht
nicht ohne entsprechende Verpflichtung des Anzustellenden, diese
Verpflichtung kann aber in nichts anderem bestehen als in der
zur Uebernahme des Amtes. Jolglich ist nach Gönner die all-
0) Leist, Staatsrecht § 100; Jordan, Lehrbuch § 72; Klüber
§ 492; die oben angeführten Schriften von Seuffert und v. d. Becke;
Buddeus in Weiskes Rechtslexikon I, S. 744; Feuerbach, Lehr-
buch des peinlichen Rechts § 477.
!) Ganz richtig bemerkt O. Mayer im Archiv für öffentl. Recht
Vd. 3, S. 29, die Gönnersche Lehre sei von hinten entstanden. Man habe
nicht aus dem Hoheitsrechte den öffentlichrechtlichen Charakter des Amtes
entwickelt, sondern den Staatsdienst nach staatsrechtlichen Grundsätzen
behandeln wollen und deshalb das entsprechende Hoheitsrecht gesucht.