§ 88 Rechtsauffassungen vom Staatsbienste. 17
Zeit herrschende sogenannte gemischte System, welches das Staats-
dienstverhältnis als ein teils privatrechtliches, teils staatsrechtliches
betrachtet.
Nachdem diese neue Auffassung bereits angebahnt war von
Stahlu) und Maurenbrecher 19), hat sie zuerst eine eingehende Be-
gründung erfahren von Zachariä in dessen deutschem Staats= und
Bundesrechte. Die richtige staatsrechtliche Auffassung tritt bei ihm
durchaus hervor. Ein Vertrag des Staates mit seinen Unter-
tanen ist unmöglich, da die für den Vertragsbegriff notwendige
Gleichstellung der Vertragsteile und die Möglichkeit der beider-
seitigen Verpflichtung fehlt. Der Staatsdienst kann daher nur be-
gründet werden durch eine einseitige Willenserklärung der Staats-
gewalt. Die Uebertragungshandlung bezeichnet Zachariä zwar als
Lex specialis. Da jedoch nach seiner Auffassung vom Gesetze die
Allgemeinheit ein wesentlicher Begriffsbestandteil der Rechtsnorm
ist, so kann unter der Lex specialis keine Rechtsnorm, sondern nur
eine tatsächliche Anordnung verstanden werden. Zachariä erkennt
aber in diesem Falle auch weiterhin richtig den staatsrechtlichen
Grundsatz an, daß ebenso wenig wie ein Vertrag des Staates
mit seinen Untertanen ein subjektives Recht des einzelnen Unter-
tanen gegen den Staat denkbar ist, da die allbeherrschende Staats-
gewalt sich gegenüber den ihr unterworfenen Personen gar nicht
rechtlich binden kann. Somit ergiebt sich der der staatsrechtlichen
Auffassung des Staatsdienstes allein entsprechende Satz: „Im Ver-
hältnis zum Staat hat der Beamte, was seine Dienstfunktionen
betrifft, nur Pflichten.“
Nun nahm man aber allgemein an, daß die Ansprüche des
Beamten auf Gehalt und sonstige Dienstvorteile seine wirklichen
subjektiven Rechte seien. Wollte man deren Bestand rechtfertigen,
während man ein subjektives Recht des Untertanen gegen den
Staat ausschloß, so konnten die vermögensrechtlichen Ansprüche
mur privater Natur sein. So kommt Zachariä, der der Erkenntnis
des juristischen Charakters des Staatsdienstes näher war als einer
einer Vorgänger, da er die Vermögensrechte der Beamten ohne
neitere Prüfung als subjektive Ansprüche annimmt, zu dem ge-
schten Systeme. Der Staatsdienst ist gleichzeitig ein privat-
11) Rechtsphilosophie, 2. A., 1847, Bd. 2, S. 248 ff.
12) Staatsrecht, 2. A., 1847, 88 159 ff.
# ornhak, Preußisches Staatsrecht II. 2. Aufl. 2