298 Das Verwaltungsrecht. § 120.
§ 120. Die ansführeuden Organe der Kreisverwaltung.
An der Spitze jedes Kreises steht ein Landrat. Dieser wird
vom Könige ernannt. Abgesehen von der Provinz Posen ist der
Kreistag befugt, für die Besetzung des erledigten Landratsamtes
geeignete Personen, welche seit mindestens einem Jahre dem Kreise
durch Grundbesitz oder Wohnsitz angehören, in Vorschlag zu bringen.
Als gceignet zur Bekleidung einer Landratsstelle sind diejenigen
Personen zu betrachten, welche
1. die Befähigung zum höheren Justiz= oder Verwaltungs.-
dienste erlangt haben, oder
2. seit mindestens einem Jahre dem Kreise durch Grund.
besitz oder Wohnsitz angehören und zugleich mindestens während
eines vierjährigen Zeitraumes a) als Referendare im Vorbereitungs-
dienste bei den Gerichten und Verwaltungsbehörden oder b) in
Selbstverwaltungsämtern des betrefsenden Kreises, des Bezirkes
oder der Provinz, jedoch nicht lediglich als Stellvertreter oder
als Mitglieder von Kreiskommissionen tätig gewesen sind. Auf
den vierjährigen Zeitraum kann den zu 2b bezeichneten Per-
sonen eine Beschäftigung bei höheren Verwaltungsbehörden bis
zur Dauer von zwei Jahren in Aurechunng gebracht werden.
Außerdem ist vor Ernennung des Landrats des Kreises
Wernigerode der Graf zu Stolberg-Wernigerode, des Kreises
Neuwied der Fürst zu Wied und des Kreises Wetzlar der Fürst
zu Solms-Braunfels und der Fürst zu Solms-Hohensolms-Lich
zu hören.
Während der Kreistag bei seinen Vorschlägen auf die ge-
nannten Arten von Personen beschränkt ist, wird das königliche
Ernennungsrecht durch diese Bestimmungen in keiner Weise ge-
bunden. Der König kann daher sowohl eine vom Kreistage nicht
vorgeschlagene als auch eine der nicht oben unter 1 und 2 ge-
naunten Personen zum Landrate bestellen (§ 74 O., § 22 H.,
§ 24 H.-N., 8 30 W., 88 30, 99 Rh., § 66 Sch.-H.)).
1) Wegen des Kreises Herzogtum Lauenburg vgl. § 119 N. 2,
wegen Ernennung des Landrats des Kreises Wernigerode Ges. vom
18. Juni 1876 betr. die Einführung der Kreisordnung vom 13. Dez.
1872 in den Grasschaften Wernigerode und Stolberg — GS. 1876,
S. 245 —. Was v. Nönne-Zorn, Pr. StR. Bd. 2, S. 628 ff. über
die Wahl der Landräte in Westsalen und der Rheinprovinz und über das