352 Das Verwaltungsrecht. § 127
lennung der freilich geschichtlich unrichtigen Tatsache, daß die
Stände nur ihre Provinz vertreten, und diese der eigentliche In-
haber aller von den Ständen ausgeübten Rechte und Verbindlich-
keiten ist, und durch die Uebertragung staatlicher Obliegenheiten
auf diese Korporation, entwickelt sich also gegen Ende des
Jahrhunderts aus dem alten verfassungsrechtlichen Ständetume
der größere Kommunalverband.
Diese ständischen Organisationen, an die sich eine kommunale
Verwaltung der Provinz anschloß, waren aber doch in den einzelnen
Landesteilen zu ungleich entwickelt, als daß sie die Grundlage
für ein reges kommunales Leben hätten bilden können. Dazu kam,
daß allgemeine ständische Versammlungen nicht mehr stattfanden,
und für jeden Zweig der Kommunalverwaltung besondere Aus-
schüsse bestellt waren, die unter sich in keinerlei rechtlichem Zu-
sammenhange standen, so daß die Einheitlichkeit der Kommnnal-=
verwaltung verloren ging. Eine neue Entwicklung, auf deren Er-
gebnissen im wesentlichen die heutige Provinzialverfassung beruht,
beginnt erst mit dem Jahre 1815.
Den Ausgangspunkt dieser neuen Entwicklung bildete aber
nicht der Rest der ständischen Kommunalverwaltung, sondern
einmal die neugestaltete allgemeine Landesverwaltung der Pro-
vinzen und weiterhin die Umgestaltung der Provinzialstände als
der Grundlage der geplanten reichsständischen Versammlung. Aus
dem Zusammenwirken der allgemeinen Landesverwaltung der
Provinzen mit den ursprünglich gar nicht für kommunale Zwecke
gebildeten Provinzialständen entwickelt sich erst allmählich die
kommunale Bedeutung der Provinzen.
An einen Gedanken des Steinschen Publikandums vom
16. Dezember 1808 anknüpfend, der jedoch 1810 vollständig fallen
gelassen war, wurden durch die Verordnung vom 30. April
18152) als größere, mehrere Regierungsbezirke umfassende Bezirke
der allgemeinen Landesverwaltung aus dem ganzen Staatsgebiete
zehn Provinzen gebildets). An der Spitze jeder Provinz sollte
2) GS. 1815, S. 86.
3) Ostpreußen, Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien,
Posen, Sachsen, Westfalen, Kleve--Berg und Niederrhein. Durch die
Kabinettsorders vom 3. Februar 1820, 26. Mai 1821 und 3. Dezember
1829 wurden jedoch Kleve-Berg und Niederrhein zu einer Provinz