Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

3 183 Die frühere Organisation der obersten Verwaltung. 406 
Der Geheimx Staatsrat, der nach wie vor die Vereinigung 
der Minister, das Staatsministerium, bilden sollte, konnte bei 
der großen Zahl selbständiger Oberbehörden kein rechtes Leben 
gewinnen und war unfähig, seine wesentlichste Aufgabe zu lösen, 
eine Verkörperung der Einheit der Verwaltung zu bilden. Eigene 
Verwaltungsgeschäfte fehlten ihm fast vollständig. Unter ihnen 
kommt namentlich in Betracht die Entscheidung über die unfrei- 
willige Entlassung der Beamten, welche ihm durch das AL-R. II, 
10 § 99 übertragen war. 
Bei dem Mangel jeder Einheit in dem Behördensysteme war 
es natürlich, daß die Verwaltung nach einer solchen in jeder Weise 
strebte. Nur hieraus erklärt sich die eigentümliche Erscheinung 
des Kabinetts, wohl zu unterscheiden von dem Kabinettsministerium, 
unter Friedrich Wilhelm II und Friedrich Wilhelm III. Schon 
unter Friedrich dem Großen war es Sitte geworden, daß die 
Minister meist schriftlich mit dem Könige verkehrten, und dieser auf 
dieselbe Weise eine Entscheidung traf, wobei ihm ein Kabinetts- 
sekretär als Gehilfe diente. Unter Monarchen, die nicht mehr 
alle Einzelheiten der Verwaltung übersehen konnten, mußte sich 
der Einfluß dieser Gehilfen, die nunmehr den Titel Geheime 
Kabinettsräte führten, unermeßlich steigern. Sie waren die einzigen, 
die persönlich den Vortrag beim Könige hatten, die einzigen, in 
deren Händen sich alle Verwaltungsgeschäfte vereinigten, in ihnen 
allein war die Einheit der Verwaltung vertreten. Tatsächlich 
bildeten sie eine Mittelinstanz zwischen den Ministerien und dem 
Könige, rechtlich konnten sie zu einer solchen gegenüber dem aus- 
gebildeten preußischen Behördensysteme und dem Widerstreben der 
Ministerien gegen das Kabinett nicht werden. Auch hier war also 
die Organisation höchst unvollkommen. 
Nach dem Tilsiter Frieden erschien die Umgestaltung der 
obersten Verwaltung nicht nur deshalb unausschiebbar, weil sie sich 
infolge ihrer Schwerfälligkeit als völlig leistungsunfähig erwiesen 
hatte, sondern auch, weil durch die Verkleinerung des Staats- 
gebietes einige Provinzialdepartements überflüssig geworden waren. 
Bei den Reformplänen schloß man sich eng an das französisch- 
westfälische Vorbild an, nach welchem die gesamte oberste Ver- 
waltung unter sechs oder (ohne Marineminister) fünf bureau- 
kratisch organisierte Ministerien verteilt war. Die schon vom Könige
	        
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