Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

432 Das Verwaltungsrecht. *l 137 
vollkommen fremd. War die Rechtsprechung der Gerichte über 
Fragen des öffentlichen Rechts nur eine Folge der privatrechtlichen 
Auffassung vom Staatsrechte, so konnte sie auch ihrem Wesen 
nach nichts anderes sein als ein gewöhnlicher Zivilprozeßr. 
Im 17. Jahrhundert versucht sich nun aber aus dem ständischen 
Patrimonialstaate des Mittelalters der moderne Staat in den 
größeren deutschen Gebieten zu entwickeln. Dies war nur möglich 
durch Beseitigung des größten Teils der ständischen Rechte auf dem 
Gebiete des Staatsrechts vermöge einer landesherrlichen Usur- 
pation. Dem stand jedoch die Rechtsprechung der Reichs= und 
Landesgerichte über fast alle Fragen der Landeshoheit im Wege. 
Der ständische Patrimonialstaat war nicht zu überwinden, so lange 
Reichs= und Landesgerichte das in ihm geltende Recht entgegen den 
neuen landesherrlichen Verordnungen immer wieder zur Geltung 
brachten. Während diese Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte 
über Fragen des Verwaltungsrechts bei der stehen gebliebenen Ent- 
wicklung der kleineren Gebiete bis in die neueste Zeit sich erhält, 
wird sic in den deutschen Mittel- und Großstaaten beseitigt und 
dadurch für die Neubildung des öffentlichen Rechts freie Bahn 
geschaffen nach doppelter Richtung hin. 
Was zunächst die Rechtsprechung der Reichsgerichte anbetrifft, 
so benutzen die Landesherren ihren Einfluß auf die Reichsver- 
waltung, um diese Rechtsprechung, soweit es sich um das Ver' 
waltungsrecht handelt, zu beseitigen. Der Reichsabschied von 1591 
suchte vorzugsweise die mißbräuchliche Anwendung der Extra- 
judizialappellation, welche man zur Vermeidung der Austrägé 
vielfach auch da anwandte, wo der Landesherr nicht als Nichter 
gehandelt hatte, abzustellene). Weiterhin weist der Jüngste Reichs 
abschied von 1654 §8 105, 106 die Reichsgerichte an, Klagen del 
6) Reichsabschied von 1594 §. 95: „Darum setzen, ordnen und wollen 
wir ferner, daß denen unmittelbaren Unterthauen auf solche Extrajudicial- 
Appellationen, es wäre dann dasselbe Gravamen zusorderst verisimiliter 
erwiesen und daß der Magistrat (d. h. Obrigkeit) lamquam jucel 
procedirt hätte, keine Proceß oder Ladung erkannt werden sollen; sonsten 
aber und im Fall ek Narratis interpositat Appellationis in Process! 
erscheinen würde, daß die Obrigkeit tamquam Pars und als Widersacher 
und nicht richterlicher Weiß gehandelt, dieweilen zu ermessen, daß hierin 
mehr simplex Oucrela, denn die Appellalio statt habe, sollen solche Sachel 
an Richtern erster Instanz (d. h. die Auskträge) gewiesen werden.“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.