Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

436 Das Verwallungsrecht. § 1 
behörden dieselbe Gewähr einer unparteiischen Entscheidung boten 
wie die Gerichte. Mit dem Uebergange Preußens zum konstitu- 
tionellen Systeme stellte sich aber mehr und mehr das Bedürfnis 
heraus, in streitigen Fragen des öffentlichen Rechts, welche den 
ordentlichen Gerichten nicht überwiesen waren, eine förmliche Recht- 
sprechung zu ermöglichen. Da man in einzelnen Fällen das Beispiel 
einer solchen Rechtsprechung durch die ordentlichen Gerichte vor 
Augen hatte und an die Schaffung eines besonderen Behörden- 
organismus für die Verwaltungsrechtspflege nicht dachte, so kleideten 
sich diese Bestrebungen in das Verlangen nach „Erweiterung des 
Rechtswegs“. Dem wurde in Preußen Rechnung getragen durch 
das Gesetz vom 24. Mai 1861 betreffend die Erweiterung des 
Rechtswegesio), welches namentlich wegen vermögensrechtlicher An- 
sprüche der Beamten gegen den Staat und in einigen steuerrecht- 
lichen Streitfragen den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten 
unter gewissen Voraussetzungen für zulässig erklärte. 
Erst verschiedene Gesetze des Norddeutschen Bundes und des 
Deutschen Reiches begründeten auf einzelnen Gebieten, wic z. B. 
in Armensachen und in Gewerbeangelegenheiten, die Entscheidung 
streitiger Fragen des öffentlichen Rechts durch andere Behörden 
als die ordentlichen Gerichte, aber in prozessualischen Formen. 
Die Einzelstaaten waren schon hierdurch zur Herstellung einer 
besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeit genötigt. Diese wurde aber 
demnächst auch ausgedehnt auf andere Gebiete, die der Gese"- 
gebung der Einzelstaaten vollständig verblieben waren. 
In Preußen ging die Organisation der Verwaltungsgerichts- 
barkeit von Anfang an Hand in Hand mit der Reform der inneren 
Verwaltung überhaupt, deren wesentliche Errungenschaft in der 
Heranziehung des Laienelementes zur Verwaltung, in der soge- 
nannten Selbstverwaltung, bestand. Die Ideen der Selbst- 
verwaltung und der Verwaltungsgerichtsbarkeit verbinden sich mit 
einander zur Erreichung des einen Zieles, der Unparteilichkeit 
der Verwaltung. 
Schon die Kreisordnung für die östlichen Provinzen mit 
Ausnahme von Posen vom 13. Dezember 1872 übertrug dem 
neu gebildeten Behörden für die Kommunalverwaltung der Kreise- 
10) GS. 1861, S. 211.
	        
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