g 138 Wesen der Verwaltungsgerichtsbarleit. 443
in seinen Interessen verletzt zu sein vermeint. Voraussetzung der
Klage wie der Beschwerde ist, daß auf Grund der Verordnung
eine Einzelverfügung an eine bestimmte Person erlassen wird,
und die Rechtmäßigkeit dieser Einzelverfügung ist allein Gegen—
stand des Erkenntnisses, ihre Zweckmäßigkeit Gegenstand des
Beschlusses. Steht nun die Verordnung, auf welche sich die Ver—
fügung stützt, im Widerspruche mit dem Gesetze, so wird hierin
eine Verletzung eines subjektiven Rechtes gesehen, der abzuhelfen
die Verwaltungsklage bestimmt ist. Die Entscheidung darüber soll
als von der Zivilgerichtsbarkeit ihrem Wesen nach nicht ver-
schieden den ordentlichen Gerichten zustehene).
Dieser Ansicht steht zunächst entgegen, daß nicht jedes Ver-
waltungsgesetz zu seiner Ausführung einer allgemeinen Verordnung
bedarf, daß eine Einzelverfügung, ohne daß das Mittelglied einer
Verordnung bestände, sich unmittelbar auf das Gesetz stützen kann.
Es kann daher für das Klagerecht nicht erfordert werden, daß
die Verfügung mit der Verordnung übereinstimmt, letztere aber
dem Gesetze widerspricht, es genügt für das Klagerecht der Wider-
spruch zwischen der Verfügung und dem Gesetze oder vielmehr
der Rechtsnorm ohne Rücksicht auf den Inhalt der Verordnung.
Weiterhin ist es falsch, daß jede Rechtsnorm, die einen einzelnen
betrifft, ein subjektives Recht erzeugt, jede Verletzung dieser Rechts-
norm in bezug auf einen einzelnen ein subjektives Recht verletzt.
Indem L. v. Stein dieses behauptet, fällt er wieder in die
privatrechtliche Auffassung zurück und zieht auch die notwendige
Folgerung aus der privatrechtlichen Anschauung, nämlich die Ver-
waltungsrechtsprechung durch die ordentlichen Gerichte.
Gneist verwirft vom allgemeinen Standpunkte aus den
Unterschied, welchen L. v. Stein zwischen Verwaltungsklage und
Verwaltungsbeschwerde macht, und zwar augenscheinlich unter
dem Einflusse der englischen Verwaltungspraxis. Bei seiner Charak-
6) Die Polemik v. Sarwey, a. a. O. S. 150 gegen die Steinsche
Ansicht, daß sie den von Stein selbst aufsgestellten Unterschied der
Verordnung einerseits als des an die Stelle des Gesetes tretenden
Staatswillens und andererseits als dessen Vollziehung nicht be-
rücksichtige, beruht auf einem Irrtume. Der Einwand trifft zwar zu
ür die von Sarwey allein benutzte 1. Aufl. der Steinschen Ver-
waltungslehre, in der 2. Aufl. ist aber der Unterschied berücksichtigt.