Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

452 Das Verwaltungsrecht. § 10. 
bei der Ausübung der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu beobachten 
haben, weicht von dem, welches bei ihren übrigen Obliegen 
heiten Platz greift, ab. Die Zuständigkeit zwischen beiden Ver 
waltungsgerichten ist nun nicht in der Weise verteilt, daß der 
Kreisausschuß durchweg Gericht erster Instanz, der Bezirks 
ausschuß durchweg Gericht zweiter Instanz wäre. Die neuere 
preußische Gesetzgebung vermeidet, wie so oft, auch hier die Aus 
stellung eines derartigen allgemeinen Grundsatzes und wählt die 
kasuistische Fassung ihrer Rechtssätze. Der Kreisausschuß wird da 
her in einer Reihe einzelner Fälle für das Verwaltungsgericht 
erster Instanz erklärt, und dann bildet regelmäßig der Bezirks- 
ausschuß die Verufungsinstanz. In anderen Fällen ist dagegen 
der Kreisausschuß überhaupt nicht zuständig, sondern die Klage 
ist bei dem Bezirksausschusse als erster Instanz zu erheben. Der 
Kreisausschuß ist also, soweit seine Zuständigkeit als Verwaltungs- 
gericht begründet ist, nur Gericht erster, der Bezirksausschuß in 
einigen Fällen Gericht erster, in anderen Gericht zweiter Instanz. 
Als höchste Instanz, unter Umständen als erste und letzte 
Instanz in Verwaltungsstreitsachen ist endlich durch das Gesetz# 
vom 3. Juli 1875 betrefsend die Verfassung der Verwaltungs- 
gerichte und das Verwaltungsstreitverfahrens), welches durch die 
Novelle vom 2. August 1880“) eine neue Fassung erhielt, ein 
besonderer Gerichtshof, das Oberverwaltungsgericht zu Berlin, be- 
gründet worden. Es unterscheidet sich in seiner Organisation von 
den Verwaltungsgerichten niederer Instanz, den Kreis= und Bezirks 
ausschüssen, dadurch, daß es einmal lediglich aus berufsmäßigen 
Beamten besteht und weiterhin einzig und allein mit der Ver 
waltungsgerichtsbarkeit, aber mit keinerlei sonstigen Obliegen- 
heiten betraut ist. 
Das Oberverwaltungsgericht besteht aus einem Präsidenten, 
den Senatspräsidenten und der erforderlichen Anzahl von Räten. 
Die Mitglieder des Oberverwaltungsgerichts müssen mindestens 
das 30. Lebensjahr vollendet haben und zur einen Hälfte für 
3) GS. 1875, S. 375. 
4) GS. 1880, S. 315. Eine nur vorübergehende Bedeutung hat 
das Gesetz vom 28. Juni 1911 — GS. 1911, S. 81 —, wonach beim 
Oberverwaltungsgerichte bis zum 1. Oktober 1914 Hilsssenate mit Hilse“ 
richtern gebildet werden können.
	        
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