Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

504 Das Verwaltungsrecht. 814 
ordnung erlassen hat, ist aber in der Lage, nach Maßgabe der 
bestehenden Rechtsordnung jene Anordnung abzuändern oder auf- 
zuheben. Es ist daher nichts natürlicher, als daß die betroffene 
Person sich an die vorgesetzte Dienstbehörde der anordnenden 
Behörde wendet mit der Anzeige, daß die Anordnung ergangen 
ist, und mit der Bitte, sie aufzuheben. Dies ist die Beschwerde 
im weitesten Sinne. Sie umfaßt also die Anzeige von der er- 
gangenen Anordnung an die obere Behörde und die Bitte um 
deren Abänderung. In diesem weitesten Sinne begreift die Be- 
schwerde auch die Verwaltungsklage in sich. Denn diese ist eben- 
falls aufzufassen als die Bitte um Abänderung der ergangenen 
Entscheidung bei der in diesem Falle zuständigen Behörde. Das 
Wesentliche der Klage war nur, daß sie sich stützte auf die Be- 
hauptung, die angefochtene Anordnung stehe im Widerspruche mit 
einer Rechtsnorm, und daß sich an die Klage ein Verfahren in 
prozessualischen Formen anschloß. 
Nun wird aber das Wort „Beschwerde“ außerdem noch in 
einem engeren Sinne gebraucht und zwar als Gegensatz zur Klage. 
Während sich jedoch an die in Deutschland längst in der 
einen oder der anderen Form bestehende Verwaltungsgerichts- 
barkeit eine umfangreiche Literatur angeschlossen hat, besteht eine 
solche über die Verwaltungsbeschwerde, die erst ein Erzeugnis der 
neuesten Gesetzgebung ist, nur in sehr unbedeutendem Maße. Die 
Grundlage ist hier geschaffen worden von L. von Stein. Wie 
bei der Charakterisierung des Verwaltungsstreitverfahrens geht 
er auch bei der des Beschwerdeverfahrens aus von seiner Lehre 
des Gesetzes und der Verordnungt). Während die Klage gegeben 
sein soll, wenn die Verordnung, auf welche sich die Verfügung 
stützt, mit dem Gesetze oder der diesem gleichstehenden Ver- 
ordnung im Widerspruche sich befindet, soll die Verwaltungs- 
beschwerde Platz greifen, wenn die Verfügung dem Geiste der 
Verordnung widerspricht und dadurch die Interessen eines einzelnen 
verletzt. Dieser Auffassung der Verwaltungsbeschwerde steht der- 
selbe Umstand entgegen wie der Steinschen Begriffsbestimmung 
der Verwaltungsklage. Es ist nämlich gar nicht notwendig, daß 
eine Verfügung, also die für den Einzelfall bestimmte tatsächliche 
1) Val. 8 138.
	        
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