Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

44 Das Verwaltungsrecht. § 92 
längerer Urlaub bis zu zwei Monaten ohne Verkürzung des Ge- 
haltes bewilligt werden. 
d) Bei allen in den Umständen gerechtfertigten Beurlaubun- 
gen, welche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen unter Be- 
lassung des ganzen Gehaltes erteilt werden, fallen die unvermeid- 
lichen Vertretungskosten nicht den zu beurlaubenden Beamten zur 
Last, sondern sind auf die betreffenden Fonds anzuweisen, jedoch 
unter Genehmigung der vorgesetzten Ministerien. 
Keines Urlaubs bedürfen die Beamten nach Art. 78 der 
preußischen Verfassungsurkunde zum Eintritte in den Landtag, nach 
Art. 21 der Reichsverfassung zum Eintritte in den Reichstag. 
Die Bestimmung der preußischen Verfassungsurkunde kann sich 
selbstverständlich nur auf preußische Beamte beziehen"), da Preußen 
dem Reiche keine Vorschriften machen kann, die der Reichsver- 
fassung bezieht sich auf Reichs= und Staatsbeamte. Reichsbeamte 
bedürfen also zum Eintritte in den preußischen Landtag des Ur- 
laubes. Ebensowenig bedarf es des Urlaubs für öffentliche Dienste, 
wie für den eines Geschworenen, Schöffen, für den Eintritt in den 
Militärdienst zur Erfüllung der Wehrpflicht, militärische Uebungen. 
Selbstverständlich ist jedoch in allen diesen Fällen der vorgesetzten 
Dienstbehörde von der Verhinderung in der Erfüllung der Amts- 
pflichten und deren Ursache sofort Anzeige zu machen. Die Frage, 
ob ein Beamter, der in den Landtag eintritt, die Kosten seiner Stell- 
vertretung selbst zu tragen hat, ist gesetzlich nicht entschieden. Die 
Regierung hat daher freie Hand, die Stellvertretungskosten dem 
Beamten aufzubürden oder auf die Staatskasse zu übernehmen. 
Nachdem die Praxis früher schwankend gewesen war, hat sich der 
Staatsministerialbeschluß vom 24. Oktober 18695) dahin ent- 
schieden, die Kosten nicht von dem zu vertretenden Beamten, sondern 
vom Staate tragen zu lassen, und hierbei ist es auch bis in die 
neueste Zeit verblieben. Soweit dagegen eine Verpflichtung des 
Beamten zur Uebernahme eines allgemeinen öffentlichen Dienstes 
besteht, ist die dadurch bedingte Nichterfüllung der amtlichen Ob- 
4) Auch auf mittelbare Staatsbeamte. Die Anstellungsbedingung 
für einen solchen, daß es zu einer parlamentarischen Tätigkeit der 
Genehmigung der kommunalen Körperschaften bedürfe, ist daher als ver- 
fassungswidrig nichtig. 
5) M. Bl. d. inn. Verw. 1869, S. 226.
	        
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