Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

526 Das Verwaltungsrecht. 8147 
schiedenen Punkten sind aber die Vorzüge des preußischen Ge— 
setzes vom 8. April 1847 im Vergleiche mit dem bisherigen Zu- 
stande nicht zu verkennen. Das Gesetz schuf zunächst einen be- 
sonderen Gerichtshof zur Entscheidung von Kompetenzkonflikten, 
bestehend aus dem Präsidenten des Staatsrats, dem Staats 
sekretär und neun Mitgliedern des Staatsrats, von denen fünf 
Justiz= und vier Verwaltungsbeamte sein mußten. Die Erhebung 
des positiven Konflikts sollte nicht mehr in rechtskräftig ent- 
schiedenen Sachen und überhaupt nur durch die obersten oder 
Provinzialbehörden erfolgen dürfen. Die Mängel dieser neuen 
Bildung bestanden besonders darin, daß der Kompetenzgerichts 
hof nicht die volle richterliche Unabhängigkeit besaß, und daß nach 
französischem Vorbilde die Erhebung des Konflikts nur den Ver- 
waltungsbehörden für die vor den Gerichten schwebenden Sachen, 
nicht aber auch umgekehrt den Gerichten für die Sachen, 
welche die Verwaltungsbehörden an sich gezogen hatten, ein— 
geräumt wurde. 
Die preußische Verfassungsurkunde beschränkte sich in Art. 96 
auf die Bestimmung, daß die Kompetenz der Gerichte und der 
Verwaltungsbehörden durch das Gesetz geregelt werde, und daß 
süber Kompetenzkonflikte zwischen den Verwaltungs= und Gerichts 
behörden ein durch Gesetz bezeichneter Gerichtshof zu entscheiden 
haben solle. Da ein neues Gesetz nicht erging, blieb nach Maß- 
gabe des Art. 110 der Verfassungsurkunde das Gesetz vom 
8. April 1847 auch weiterhin in Geltung. 
Die Reichsgesetzgebung steht grundsätzlich auf einem anderen 
Standpunkte als das preußische Recht. Sie will die Entscheidung 
der Kompetenzkonflikte unter Beseitigung jedes besonderen Kom- 
petenzgerichtshofs lediglich der einen Art von Behörden, den Ge- 
richten, einräumen und bestimmt daher: „Die Gerichte entscheiden 
über die Zulässigkeit des Rechtswegs“ (8 17 des Gerichtsver- 
fassungsgesetzes). Dieser reichsrechtliche Grundsatz wird aber durch- 
brochen durch Vorbehalte zugunsten des Partikularrechts, so daß 
er nur in wenigen deutschen Mittel= und Kleinstaaten zur Geltung 
gelangt ist. Es ist nämlich zulässig, daß auf Antrag eines Bundes- 
staates und mit Zustimmung des Bundesrates die Kompetenz- 
konflikte aus dem betreffenden Staate dem Reichsgerichte zu- 
gewiesen werden (§ 17 des Einführungsgesetzes zum Gerichts-
	        
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