Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

50 Das Verwaltungsrecht. 9§ 92 
Dieser Auffassung steht entgegen, daß sie auf Gründen der 
politischen Zweckmäßigkeit beruht, aber jeder juristischen Be- 
gründung entbehrt. Zunächst tritt der rechtswidrig handelnde 
Beamte nie innerhalb seines Amtes, sondern, wie das preußische 
Recht positiv anerkennt, unter Ueberschreitung seiner Zuständig- 
keit in Tätigkeit. Durch einen rechtswidrigen Befehl überschreitet 
der befehlende Beamte stets seine Zuständigkeit, und da der unter- 
geordnete Beamte prüfen soll, ob jener sich innerhalb ihrer ge- 
halten, so würde er eben jeden Befehl auf seine Rechtmäßigkeit zu 
prüfen haben. Jene Auffassung ist aber auch von ihrem eigenen 
Standpunkte aus, d. h. wenn man zwischen formeller und materieller 
Prüfung unterscheidet, unhaltbar. Wenn in der sachlichen Prüsung 
des Befehls eine Umkehrung des Behördenorganismus liegen soll, 
und das ist allerdings der Fall, warum nicht in der formellen 
Prüfung? Man geht dabei von der falschen Voraussetzung aus, 
daß die Zuständigkeitsfrage immer klipp und klar sei. Aber gerade 
hier tauchen die allerschwierigsten Rechtsfragen auf. Mit der An- 
erkennung des unbedingten formellen Prüfungsrechtes kommt man 
mit Notwendigkeit dahin, diese Rechtsfragen der Entscheidung des 
Vollstreckungsbeamten als höchsten Kompetenzgerichtshofs anheim- 
zustellen. Andererseits wird ein unbedingter Gehorsam verlangt, 
wenn die Zuständigkeit des befehlenden und des gehorchenden Be- 
amten begründet, und der Befehl in der gehörigen Form erteilt 
ist, ohne jede Rücksicht auf den Inhalt des Befehls, also auch dann, 
wenn der befehlende Beamte vorsätzlich oder fahrlässig handelt, und 
der untergeordnete Beamte dies weiß. Die Verpflichtung des 
Beamten zur Prüfung des Befehls nach der formellen Seite und 
die Beschränkung auf diese formelle Prüfung ist also nach jeder 
Richtung hin unhaltbar. Vielmehr erscheint eine anderweite Ab- 
grenzung der Gehorsamspflicht geboten. Die nachfolgenden Aus- 
führungen nach dieser Richtung haben die Anerkennung des Staats- 
ministeriums wie des Oberverwaltungsgerichtes als höchster 
Disziplinargerichte gefunden. 
Es ist zunächst zu unterscheiden zwischen der Prüfungspflicht 
und dem Prüfungsrechte. 
  
St R. S. 92; mit wesentlichen Einschränkungen und unter Ausdehnung 
auf die sachliche Prüfung vom Standpunkte der amtlichen Selbständigkeit 
O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht § 45.
	        
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