64 Das Verwaltungsrecht. g 93
Dieser Auffassung steht auch nicht entgegen, daß die Disziplinar-
strafe verhängt wird, nachdem der Beamte sich einer Pflichtver-
letzung schuldig gemacht hat, und daß die Entlassung eines Be-
amten diesen nicht zur Erfüllung seiner Dienstpflicht nötigen kannuyg).
Das Wesentliche des Verwaltungszwanges liegt in dessen An-
drohung, welche in den Dissziplinargesetzen enthalten ist und jedem
Beamten bekannt sein muß. Die wirkliche Verhängung der Strafe
hat nur zu erfolgen, um die Wirksamkeit der Androhung zu.
sichern und entweder denselben oder andere Beamte in anderen
Fällen zur Erfüllung ihrer Pflicht zu nötigen.
Aus dem Charakter der Disziplinarstrafe ergibt sich zu-
nächst, daß sie neben der Kriminalstrafe und völlig unabhängig
von ihr einhergehen kann. Während die Kriminalstrafe eine Sühne-
für den Bruch der Rechtsordnung bildet, ist die Disziplinarstrafe-
ein Mittel zur Erzwingung der Dienstpflichten. Hieraus erklärt
es sich, daß dieselbe Handlung eine kriminelle und eine disziplinare
Bestrafung zur Folge haben, und daß andererseits eine Handlung,
wenn sie auch kriminell nicht strafbar ist, doch eine Verletzung der
Dienstpflicht enthalten kann. Nur in dem Falle, daß die Straf-
verurteilung die Dienstentlassung schon zur Folge hat, würden
Disziplinarstrafen, deren schwerste ebenfalls nur die Dienst-
entlassung ist, ohne Zweck sein und fallen demnach fort. Aus
dem Wesen der Dissziplinarstrafe als Mittel zur Erzwingung der
Dienstpflicht erklärt sich ferner, weshalb eine Feststellung des
Tatbestandes einzelner Disziplinarvergehen nach Art der Amts-
verbrechen und Amtsvergehen unmöglich ist. Die Disziplinar-
strase würde hierdurch ihren Zweck verfehlen, als umfassendes.
Zwangsmittel für die ebenso umfassende Dienstpflicht der Be-
amten zu dienen. Dienstpflicht und Mittel zu ihrer Erzwingung.
müssen sich in jeder Beziehung decken.
Die Disziplinarstrafen bestehen in Ordnungsstrafen und Ent-
fernung aus dem Amte. Ordnungsstrafen sind a) Warnung,
b) Verweis, c) Geldbuße (gegen richterliche Beamte nur, soweit
strafe als Mittel zur Erfüllung der Vertragsverpflichtung betrachten;
H. Schulze, Deutsches Staatsrecht Bd. 1, S. 331; Sarwoy, WMürtt.
StR. Bd. 2 § 118; Gaupp, Württ. St. 8 31; O. Mayer,
Deutsches Verwaltungsrecht Bd. 2, S. 241.
10) G. Meyer in Hirths Ann. 1876, S. 673.