Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

§ 94 Die Rechte der Beamten. 85 
Dies war auch der Standpunkt der preußischen Gesetzgebung 
bis in die neueste Zeit. Viel verbreitet war die Ansicht, nach 
8 104 II, 10 ALn., wonach Zivilbediente in ihren Privat- 
angelegenheiten nach eben den Gesetzen und Rechten wie andere 
Bürger des Staates beurteilt werden, sei der Rechtsweg für der- 
artige Ansprüche zulässig gewesens2). Offenbar handelt es sich aber 
bei dieser Ansicht um eine reine petitio principil. Daß für Privat- 
angelegenheiten der Beamten der Rechtsweg zulässig ist, erscheint 
zweifellos. Das war jedoch gerade zu leugnen, daß der Gehalts- 
anspruch ein privatrechtlicher ist. Das ALR. enthält keinerlei Be- 
stimmung, welche die Zulässigkeit des Rechtswegs rechtfertigte. Die 
richtige Ansicht wurde auch gesetzlich anerkannt durch die Kabinetts- 
ordre vom 7. Juli 18306), welche die Gerichte anwies, jede 
Klage wegen Entziehung und Verkürzung von Diensteinkünften, 
ermäßigten Diäten= und Auslagenliquidationen sofort zurückzu- 
weisen. Dieser Zustand erfuhr erst eine Aenderung durch das 
Gesetz vom 24. Mai 1861 betreffend die Erweiterung des Rechts- 
weges"), welches unter gewissen Voraussetzungen den Rechtsweg 
für zulässig erklärte. Damit hat der Gehaltsanspruch selbst durch- 
aus keinen anderen Charakter erhalten. Es wird nur die Fiktion 
aufgestellt, daß der Staat als Privatrechtssubjekt dem Beamten 
vermögensrechtlich verpflichtet sei. Lediglich vermöge dieser Fiktion 
wird die Zulässigkeit des Rechtsweges für vermögensrechtliche An- 
sprüche der Beamten gegen den Staat gewonnen. 
Ueber vermögensrechtliche Ansprüche der Beamten aus ihrem 
Dienstverhältnisse, insbesondere auf Besoldung, Ruhegehalt oder 
Wartegeld, sowie ihrer Hinterbliebenen findet der Rechtsweg statt 
unter folgenden Voraussetzungen: 
1. Die Anstellung der Klage muß mit Ausnahme des Falles, 
wo ein Beamter durch eine von der Oberrechnungskahnmer ge- 
troffene Festsetzung verkürzt zu sein glaubt, die Entscheidung des 
Verwaltungschefs vorausgehen, und es muß die Klage bei Verlust 
des Klagerechts innerhalb sechs Wochen, nachdem dem Beamten 
die Entscheidung des Verwaltungschefs oder die Festsetzung der 
Oberrechnungskammer bekannt gemacht worden, angebracht werden 
62) Perthes S. 100; H. Schulze, Pr. StR. Bd. 1, S. 330. 
(s) v. Kamptz, Jahrbücher Bd. 36, S. 294. 
4) GS. 1861, S. 241. 
 
	        
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