8161 Rechtsanwaltschaft und Notariat. 105
zeitweise behinderter Rechtsanwälte erfolgt durch andere Rechts—
anwälte, Gerichtsassessoren oder Referendare, welche sich wenigstens
seit zwei Jahren im Vorbereitungsdienste befinden (88 1—25
R.).
Der Rechtsanwalt ist auf Grund seiner Zulassung befugt, vor
jedem Gerichte des Reiches Verteidigungen zu führen und sich als
Vertreter oder Beistand zu betätigen, soweit eine Vertretung durch
Anwälte nicht geboten ist. In Prozessen mit Anwaltszwang kann
dagegen nur ein bei dem Gerichte zugelassener Anwalt auftreten,
ausgenommen, wenn es sich bloß um die Wahrnehmung der Partei-
rechte in der mündlichen Verhandlung oder um eine Bestellung
seitens des ordentlichen Prozeßbevollmächtigten handelt. Dem
Rechtsanwalte liegen zahlreiche Berufspflichten ob. Er hat seinen
Beruf gewissenhaft auszuüben, für einen Stellvertreter zu sorgen,
wenn er seinen Wohnsitz länger verläßt, sich auf alle Vollmachts-
anträge sofort zu erklären, aber seine Mitwirkung in gewissen
Angelegenheiten, in denen er nicht pflichtgemäß handeln kann,
ön versagen. Außerdem hat jeder Rechtsanwalt die Verpflichtung
auf Anordnung des Vorsitzenden des Gerichts, bei dem er zu-
gelassen ist, Armensachen unentgeltlich und Sachen von Parteien,
die keinen Anwalt finden können, gegen Entgelt zu übernehmen,
auch nach Maßgabe der Bestimmungen der Strafprozeßordnung die
ihm übertragenen Offizialverteidigungen in Strafsachen zu führen
(68 26—40 R2.).
Für die Rechtsanwaltschaft besteht eine Standesvertretung,
welche ohne Mitwirkung staatlicher Organe aus der Rechtsanwalt-
schaft selbst hervorgeht. Die innerhalb eines Oberlandesgerichts-
bezirks zugelassenen Rechtsanwälte bilden eine Anwaltskammer,
welche ihren Sitz am Orte des Oberlandesgerichts hat. Doch kann
die Landesjustizuerwaltung im Bezirke eines Oberlandesgerichtes
zwei Anwaltskammern bilden, wenn die Zahl der Rechtsanwälte
1000 übersteigt. Jede Kammer hat einen Vorstand von neun Mit-
gliedern, deren Zahl durch die Geschäftsordnung bis auf fünfzehn
erhöht werden kann. Der Vorstand wird durch die Kammer auf
vier Jahre gewählt derart, daß alle zwei Jahre die Hälfte der
Vorstandsmitglieder ausscheidet. Wählbar sind die Mitglieder der
Kammer mit Ausnahme derzjenigen, welche nicht verfügungsfähig