Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

8161 Rechtsanwaltschaft und Notariat. 107 
jährlich der Landesjustizverwaltung und dem Oberlandesgerichte 
einen Geschäftsbericht zu erstatten (88§ 41—61 R.). 
Die Vernachlässigung der Pflichten eines Rechtsanwalts wird 
in einem besonderen ehrengerichtlichen Verfahren gerügt. Dieses 
hat eine gewisse Aehnlichkeit mit dem Disziplinarverfahren gegen 
Beamte. Es dient wie dieses zur Erzwingung besonderer Pflichten, 
aber nicht von Dienst= oder Amtspflichten, denn die Rechtsanwälte 
stehen in keinem Dienstverhältnisse, sondern von Berufspflichten. 
Das ehrengerichtliche Verfahren tritt also ein, wenn ein Rechts- 
anwalt die ihm obliegenden Pflichten verletzt. Wegen vor der 
Zulassung begangener Handlungen ist ein ehrengerichtliches Ver- 
fahren nur zulässig, wenn sie die Ausschließung von der Rechts- 
anwaltschaft begründen. Die ehrengerichtlichen Strafen sind 
Warnung, Verweis, Geldstrafe bis zu 3000 M. und Ausschließung 
von der Rechtsanwaltschaft. Bei Erhebung der öffentlichen Klage 
ist bis zu deren Erledigung das ehrengerichtliche Verfahren un- 
zulässig. Es wird durch die Freisprechung im Strafverfahren nicht 
ausgeschlossen, wohl aber durch eine Verurteilung, welche die Un- 
fähigkeit zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft bereits bewirkt. 
Für das Verfahren ist grundsätzlich maßgebend das für die 
Landgerichte geltende Strafprozeßrecht. Ehrengericht erster Instanz 
ist der Vorstand der Anwaltskammer in der Besetzung von fünf 
Mitgliedern, Untersuchungsrichter ein vom Oberlandesgerichts- 
präsidenten beauftragter Richter, während die Obliegenheiten der 
Staatsanwaltschaft von derjenigen bei dem Oberlandesgerichte 
wahrgenommen werden. Ueber die Eröffnung der Voruntersuchung 
und des Hauptverfahrens beschließt das Ehrengericht, über Be- 
schwerden gegen Entscheidungen des Ehrengerichts das Oberlandes- 
gericht. Gegen das Urteil in der Hauptsache findet dagegen die 
Verufung an den Ehrengerichtshof in Leipzig statt. Dieser besteht 
aus dem Präsidenten und zwei Senatspräsidenten des Reichs- 
gerichts, sechs Mitgliedern des Reichsgerichts und sechs von der 
Anwaltskammer beim Reichsgerichte auf die Dauer eines Geschäfts- 
lahres gewählten Mitgliedern dieser Anwaltskammer. Er ent- 
scheidet in zwei Senaten und in der Besetzung von je sieben Mit- 
gliedern. Das Verfahren ist stempel- und gebührenfrei, es werden 
nur bare Auslagen berechnet. Die erkannten Geldstrafen fließen 
vin die Kasse der Anwaltskammer (88 62—97 NM#.).
	        
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