108 Das Verwaltungsrecht. 8161
Die Rechtsanwaltschaft beim Reichsgerichte ist im allgemeinen
den gleichen Bestimmungen unterworfen wie die bei den Landes—
gerichten nur mit der Maßgabe, daß an die Stelle der Landes-
justizverwaltung der Reichskanzler, und an die Stelle des Ober-
landesgerichts das Reichsgericht tritt. Die Zulassung zur Rechts-
anwaltschaft beim Reichsgerichte, die mit der bei einem anderen
Gerichte unvereinbar ist, und die Zurücknahme der Zulassung erfolgt
durch das Präsidium des Reichsgerichts. Aus den beim Reichs
gerichte zugelassenen Rechtsanwälten wird eine besondere Anwalts-
kammer gebildet (8§8§ 98—102 RAO.).
Die Gebühren der Rechtsanwälte sind geregelt durch die
Gebührenordnung vom 7. Juli 1879 in der Fassung des Gesetzes
vom 17. Mai 1898 mit Ergänzung vom 1. Juni 1909)0.
In engster Verbindung mit der Rechtsanwaltschaft steht ein
zweites Hilfsorgan der Rechtspflege, das Notariat. Während aber
die Rechtsanwälte gewerbsmäßig die Parteivertretung vor Gericht
wahrnehmende Personen ohne amtlichen Charakter sind, versehen die
Notare Obliegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit an Stelle
der Gerichte, während die Rechtsanwälte einen freien Beruf aus-
üben, haben die Notare die Eigenschaft staatlicher Beamten. Beide
sind also ein Hilfsorgan der Gerichte, nur von verschiedenen Stand“
punkten aus, die Rechtsanwälte als Vertretung der Parteien vor
Gericht, als Vermittlung zwischen Gericht und Publikum, die Notar?
als Vertretung und Ersatz des Gerichts in Sachen der freiwilligen
Gerichtsbarkeit.
Das preußische Notariatsrecht war bis in die neueste Zeit nicht
einheitlich, wenn auch in manchen Beziehungen eine Annäherung
der verschiedenen Rechtsgebiete angebahnt war. Zu unterscheiden
waren drei Gebiete:
1. Dasjenige der zunächst nur für das Geltungsgebiet der
Allgemeinen Gerichtsordnung erlassenen Notariatsordnung vom
11. Juli 1845; durch Gesetz vom 8. März 1880 ausgedehnt auf
alle landrechtlichen und gemeinrechtlichen Gebietsteile des preußi-
schen Staates mit Ausnahme der Provinz Hannover und des
Kreises Rinteln.
4) Rol. 1898, S. 692, 1909, S. 175.