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Die hierdurch geregelte Fürsorgeerziehung ist, abgesehen don
den privatrechtlichen Maßnahmen nach 88 1666, 1838 BG. zu-
lässig für Kinder unter 12 Jahren, welche eine strafbare Handlung
begehen, oder wegen Unzulänglichkeit der erziehlichen Einwirkung
dem sittlichen Verderben ausgesetzt sind. Die Fürsorgeerziehung
erfolgt durch Unterbringung entweder in eine geeignete Familie
oder in eine Erziehungs= oder Besserungsanstalt. Der Beschluß
hierüber, welcher ein Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist, liegt
dem Vormundschaftsgerichte in einem gesetzlich geregelten Verfahren
ob und bildet die rechtliche Grundlage des ganzen weiteren Er-
ziehungsverfahrens, welche auch für die verpflichteten Verbände
maßgebend istu). Die Vormundschaftsbehörde übersendet ihren Be-
schluß durch Vermittlung des Landrats, oder in Stadtkreisen des
Gemeindevorstandes dem verpflichteten Kommunalverbande. Die
Provinzen, in Hessen-Nassau die kommunalständischen Verbände
von Wiesbaden und Kassel, der Lauenburgische und Hohenzollerusche
Landeskommunalverband, haben die Verpflichtung, die Unter?
bringung herbeizuführen, und zwar liegt sie demjenigen Kommunal=
verbande ob, in dessen Gebiete der Ort liegt, als dessen Vormund-
schaftsgericht das Gericht den Beschluß gesaßt hat. Die Unterbringung
darf nicht in Arbeits= und Landarmenhäusern und nur, so lange
der körperliche und geistige Zustand es erfordert, in Anstalten für
Kranke und Gebrechliche erfolgen. Ueber die betreffenden Kinder
üben die Waisenräte eine gleiche fortlaufende Aufsicht wie über
Mündel. Die Fürsorgeerziehung endet mit Vollendung des
21. Lebensjahres. Eine frühere Beendigung kann durch die Be-
hörden verfügt werden, wenn der Zwecl erreicht oder die Er?
reichung des Zweckes anderweit sichergestellt ist.
Die Kosten der Einlieferung in die Familie oder Anstalt, der
ersten Ausstattung des Zöglings und der Rückreise des Entlassenen
fallen dem Ortsarmenverbande des Zöglings, alle übrigen Unter-
halts= und Erziehungskosten, soweit sie nicht aus dessen eigenem Ver-
mögen oder durch Heranziehung privatrechtlich unterhaltspflichtiger
Personen gedeckt werden können, dem Kommunalverbande zur Last.
11) Der Kommunalverband kann daher nicht elwa die Erfüllung der
ihm obliegenden Leistungen unter dem Vorwande ablehnen, daß der
Beschluß des Vormundschaftsgerichts sachlich nicht begründet sei. VgI.
Entsch. des O. vom 11. Oktober 1880, Bd. 12, S. 239.