Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

200 Das Verwaltungsrecht. 170 
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Die hierdurch geregelte Fürsorgeerziehung ist, abgesehen don 
den privatrechtlichen Maßnahmen nach 88 1666, 1838 BG. zu- 
lässig für Kinder unter 12 Jahren, welche eine strafbare Handlung 
begehen, oder wegen Unzulänglichkeit der erziehlichen Einwirkung 
dem sittlichen Verderben ausgesetzt sind. Die Fürsorgeerziehung 
erfolgt durch Unterbringung entweder in eine geeignete Familie 
oder in eine Erziehungs= oder Besserungsanstalt. Der Beschluß 
hierüber, welcher ein Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist, liegt 
dem Vormundschaftsgerichte in einem gesetzlich geregelten Verfahren 
ob und bildet die rechtliche Grundlage des ganzen weiteren Er- 
ziehungsverfahrens, welche auch für die verpflichteten Verbände 
maßgebend istu). Die Vormundschaftsbehörde übersendet ihren Be- 
schluß durch Vermittlung des Landrats, oder in Stadtkreisen des 
Gemeindevorstandes dem verpflichteten Kommunalverbande. Die 
Provinzen, in Hessen-Nassau die kommunalständischen Verbände 
von Wiesbaden und Kassel, der Lauenburgische und Hohenzollerusche 
Landeskommunalverband, haben die Verpflichtung, die Unter? 
bringung herbeizuführen, und zwar liegt sie demjenigen Kommunal= 
verbande ob, in dessen Gebiete der Ort liegt, als dessen Vormund- 
schaftsgericht das Gericht den Beschluß gesaßt hat. Die Unterbringung 
darf nicht in Arbeits= und Landarmenhäusern und nur, so lange 
der körperliche und geistige Zustand es erfordert, in Anstalten für 
Kranke und Gebrechliche erfolgen. Ueber die betreffenden Kinder 
üben die Waisenräte eine gleiche fortlaufende Aufsicht wie über 
Mündel. Die Fürsorgeerziehung endet mit Vollendung des 
21. Lebensjahres. Eine frühere Beendigung kann durch die Be- 
hörden verfügt werden, wenn der Zwecl erreicht oder die Er? 
reichung des Zweckes anderweit sichergestellt ist. 
Die Kosten der Einlieferung in die Familie oder Anstalt, der 
ersten Ausstattung des Zöglings und der Rückreise des Entlassenen 
fallen dem Ortsarmenverbande des Zöglings, alle übrigen Unter- 
halts= und Erziehungskosten, soweit sie nicht aus dessen eigenem Ver- 
mögen oder durch Heranziehung privatrechtlich unterhaltspflichtiger 
Personen gedeckt werden können, dem Kommunalverbande zur Last. 
11) Der Kommunalverband kann daher nicht elwa die Erfüllung der 
ihm obliegenden Leistungen unter dem Vorwande ablehnen, daß der 
Beschluß des Vormundschaftsgerichts sachlich nicht begründet sei. VgI. 
Entsch. des O. vom 11. Oktober 1880, Bd. 12, S. 239.
	        
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