Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

8161 Die Staatsverträge. 15 
mittel gegen den vertragsbrüchigen Staat, in letzter Linie zur 
Kriegserklärung. 
Der Vertragsabschluß als ein lediglich unter den beteiligten 
Staaten geschlossenes Rechtsgeschäft läßt nun deren Angehörige 
an sich unberührt. Der Vertrag enthält eine Verpflichtung be- 
treffend die Ausübung der Hoheitsrechte in einer gewissen Richtung, 
dieser Verpflichtung wird aber nicht schon durch den sie be- 
gründenden Abschluß des Vertrages genügt, sondern erst durch 
dessen Erfüllung. Wenn ein Schutz= und Trutzbündnis zwischen 
zwei Staaten abgeschlossen ist, und einer der beiden Staaten an- 
gegriffen wird, so darf der in der Grenzlandschaft des anderen 
befehligende General nicht ohne weiteres in das Gebiet der dritten 
Macht einfallen. Die Kenntnis von dem Abschlusse eines Handels- 
vertrages berechtigt die Zollbeamten nicht, sogleich nach dem darin 
enthaltenen Zolltarife die Steuern zu erheben. Die bloße Ein- 
gehung des Vertrages ist ein rein völkerrechtlicher Akt, die Ver- 
pflichtungen der Staatsangehörigen bestimmen sich aber nach dem 
Staatsrechte. Um Angehörige der vertragschließenden Staaten zur 
Befolgung der vertragsmäßigen Abmachungen zu zwingen, muß 
ein besonderer Staatsakt hinzukommen. Es können je nach dem 
Inhalte des Vertrages, zu dessen Erfüllung der Staat sich ver- 
pflichtet hat, Rechtsnormen wie tatsächliche Anordnungen ergehen. 
Diese sind dann vom Standpunkte des Völkerrechts Erfüllung 
einer vertragsmäßig übernommenen Verpflichtung, vom Stand- 
punkte des Staatsrechts selbständige Staatsakte, für deren Erlaß 
das Bestehen der völkerrechtlichen Verpflichtung nur ein Beweg- 
grund der Staatsgewalt ist. 
Diesem Rechtsverhältnuisse würde es entsprechen, wenn die 
Regierung die Staatsangehörigen von dem Abschlusse des Staats- 
vertrages gar nicht amtlich in Kenntnis setzte, sondern bloß die 
der vertragsmäßigen Verpflichtung entsprechenden Anordnungen 
erließe. Dies ist jedoch häufig mit praktischen Schwierigkeiten ver- 
knüpft, da sich bei der Bedingtheit der beiderseitigen Verpflichtungen 
diese vielfach gar nicht voneinander trennen lassen. Aber auch 
sonst können Streitigkeiten darüber entstehen, ob denn die an die 
Staatsangehörigen erlassene Anordnung auch wirklich der ver- 
tragsmäßigen Verpflichtung entspricht. Alledem geht man aus 
dem Wege, indem man den Vertrag selbst verkündet und damit
	        
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