210 Das Verwaltungsrecht. 3172
sonderer Zweig des Gesundheitswesens kommt also hier nur die
Gesundheitspolizei oder das Sanitätswesen in Betracht. Unbe—
stimmt und verwaltungsrechtlich nicht verwertbar ist das Wort
Hygiene.
Die sanitätspolizeilichen Vorschriften sind teils reichsrecht-
lichen, teils landesrechtlichen Ursprungs. Zu ersteren gehören die
Bestimmungen über das Impfwesen und den Verkehr mit Nah-
rungs= und Genußmitteln, zu letzteren die über Seuchen, Begräbnis-
wesen u. ä.
I. Das Impfwesen ist geregelt worden durch das Reichsimpf-
gesetz vom 8. April 18742). Hiernach besteht hinsichtlich der Schub-
pocken eine allgemeine Impfpflicht, und zwar für jede Person
regelmäßig zweimal im Leben. Der Impfung soll nämlich untel-
zogen werden: a. jedes Kind vor dem Ablaufe des auf sein Ge-
burtsjahr folgenden Kalenderjahres, sofern es nicht nach ärztlichem
Zeugnisse die natürlichen Blattern überstanden hat, b. jeder Zög-
ling einer öffentlichen Lehranstalt oder einer Privatschule mit
Ausnahme der Sonntags= und Abendschulen innerhalb des Jahres,
in welchem der Zögling das 12. Lebensjahr zurücklegt, sofern er
nicht nach ärztlichem Zeugnisse in den letzten fünf Jahren die
natürlichen Blattern überstanden hat oder mit Erfolg geimpft
worden ist. Nur wenn durch die Impfung eine Gefahr für Leben
und Gesundheit hervorgerufen werden würde, kann sie vorläufig
unterbleiben. Eine erfolglose Impfung muß nötigenfalls zweimal
im folgenden und nächstfolgenden Jahre wiederholt werden (85 1
bis 5). Die Verpflichtung, die Impfung vornehmen zu lassen,
kann aber naturgemäß nicht den zu impfenden unmündigen Per-
sonen obliegen. Vielmehr sind hierzu die Eltern, Pflegeltern und
Vormünder bei Strafe verpflichtet. Ebenso sind die Vorsteher der-
jenigen Schulanstalten, deren Zöglinge dem Impfzwange unter“
liegen, bei Strafe verpflichtet, bei der Aufnahme von Schülern
durch Einfordern der vorgeschriebenen Bescheinigungen festzustellen,
ob die gesetzliche Impfung erfolgt ist, ferner dafür zu sorgen, dab
die während des Besuchs der Anstalt impfpflichtig werdenden 859“
linge dieser Verpflichtung genügen, beim Unterbleiben einer Int-
ofung ohne gesetzlichen Grund auf deren Nachholung zu dringen
2) NGl. S. 1874, S. 31. Ausf.Vorschr. vom 28. Februar 1900 mit
Ergänzung vom 2. November 1907 — MMWl. S. 448 —.