212 Das Verwaltungsrecht. 8172
Verlangen haben die öffentlichen Impfärzte, soweit ihr Vorrat
reicht, Schutzpockenlymphe an andere Aerzte unentgeltlich abzu-
geben (§ 9). Eine Verpflichtung, die Entnahme von Lymphe zu
dulden, besteht für die Eltern und deren Vertreter nicht. Sic
kann ihnen, da die Pflichten auf dem Gebiete des Impfwesens
durch Gesetz erschöpfend geregelt sind, auch nicht durch Polizel-
verordnung auferlegt werdeng?).
Ueber jede Impfung wird nach Feststellung ihrer Wirkungen
von dem Arzte ein Impfschein ausgestellt, in welchem unter An-
gabe der Personalien des Impflings bescheinigt wird, entweder
daß durch die Impfung der gesetzlichen Pflicht genügt ist, oder
daß sie im nächsten Jahre wiederholt werden muß. Die ärztlichen
Zeugnisse über gänzliche oder vorläufige Befreiung von der
Impfung bescheinigen unter Angabe der Personalien, aus welchem
Grunde und auf wie lange die Impfung unterbleiben darf. Das
Formular für diese Bescheinigungen bestimmt der Bundesrat. Die
erste Ausstellung der Bescheinigungen erfolgt gebühren— und
kostenfrei.
Die nach einigen Landesgesetzen, z. B. dem preußischen Re—-
gulative vom 8. August 1835 bei Ausbruch von Seuchen be-
stehende Impfpflicht erwachsener Personen ist für aufgehoben zu
erachten, da in der gesetzlichen Regelung des Umfanges der Imp-
pflicht durch das Reichsrecht eine Aufhebung aller weitergehenden
Verpflichtungen auf diesem Gebiete ausgesprochen liegte).
nd
II. Nach dem Reichsgesetze vom 14. Mai 1879 betreffe
den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Verbrauchs
gegenständen:) unterliegt der Verkehr mit Nahrungs= und Genuß-
mitteln, sowie mit Spielwaren, Tapeten, Farben, Eß-, Trink= un
5) Uebereinstimmend Erk. des Ob.Trib. in Hartmanns Ztschr.
Bd. 3, S. 490 ff.
6) Anderer Ansicht Gf. Huc de Grais, Handbuch § 264. Vogl. auch
Verh. des Reichstags vom 14. März 1874, Sten. Ber. S. 351 ff.
!) NGBl. 1879, S. 1415. Eine Ergänzung bildet das Gesetz von
b. Juni 1887 — RGBl. 1887, S. 273 — mit Novelle vom 22. März 185.
— a. a. O. 1888, S. 114 — wegen blei-- und zinkhaltiger Geräte un
Umhüllungen. Eine lediglich auf die strafrechtlichen Bestimmungen bezuclich
Novelle zum Nahrungsmittelgesetze erging am 29.- Juni 1887 — NG
1887, S. 276 —. Vgl. v. Buchka, Die Nahrungsmittelgesetzgebung im
Deutschen Reiche, 2. Aufl., Berlin 1912.