Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

222 Das Verwaltungsrecht. 9 173 
Geburt der Getauften, bei den Beerdigungen auch den Todestag 
zu vermerken. Daß der Tag der Eheschließung eingetragen wurde, 
ist selbstverständlich. Aus welchen Gründen diese Kirchenbücher 
entstanden, ist schwer zu ermitteln, kann aber auch hier dahingestellt 
bleibenn). Sehr bald überzeugte man sich jedenfalls von der weit- 
tragenden rechtlichen Bedeutung dieser Register. Da die evangelische 
Kirche allgemein, die katholische wenigstens, soweit die Tridentiner 
Beschlüsse verkündet waren, die Rechtsgültigkeit der Ehe als durch 
die Trauung bedingt ansahen, so konnte diese Rechtsgültigkeit der 
Ehe nur durch die Kirchenbücher bewiesen werden. Dasselbe war 
der Fall hinsichtlich der Geburts= und Todestage. Im 18. Jahr- 
hundert überzeugte man sich außerdem, daß die Kirchenbücher die 
damals einzig brauchbare Grundlage für die Statistik, besonders die 
Volkszählung, bildeten. Der Geistliche Süßmilch wurde daher unter 
Friedrich dem Großen der Vater der Statistik. 
Seitdem der Staat diese Bedeutung der Kirchenbücher erkannt 
hat, nimmt er für sich das Recht in Anspruch, die Art und Weise 
der Führung der Kirchenbücher gesetzlich zu regeln. Insbesondere 
geschah dies in Preußen durch das ALR. II, 11 88 481ff. Damit 
gewinnen die Kirchenbücher einen doppelten Charakter. Sie sind 
Beurkundungen kirchlicher Amtshandlungen und gleichzeitig von 
den Geistlichen als Personenstandsbeamten geführte Register des 
Staates über Geburten, Heiraten und Todesfälle. Die Mängel 
dieser Einrichtung, welche eine kirchliche Veranstaltung den Zwecken 
des Staates dienstbar machte, bestanden darin, daß es einmal für 
diejenigen Personen, welche keiner anerkannten Kirche angehörten, 
insbesondere für die Juden, an Personenstandsregistern überhaupt 
fehlte, und daß weiterhin der Staat für diesen Zweig der inneren 
Verwaltung sich der Geistlichen der verschiedenen Bekenntnisse be- 
dienen mußte, dagegen eigener Organe entbehrte. 
1) Die Ansicht von L. v. Stein, Verwaltungslehre, Teil II, S. 234 
die Kirchenbücher seien im Anschlusse an die Kirchenspaltung entstanden— 
um die Zugehörigkeit einer Person zu einer bestimmten Konfession nach- 
zuweisen, erscheint etwas zu modern, da bei der konfessionellen Geschlossen- 
heit der deutschen Gebiete ein solches Bedürfnis höchstens in einigen 
varitätischen Reichsstädten auftauchen konnte. Wahrscheinlicher ist, daß die 
im Texte erwähnten juristischen Gründe maßgebend waren, namentlich mi 
Kücksicht auf den Gedanken, daß die Gültigkeit der Ehe durch die Tranung 
bedingt sei.
	        
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