Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

5 151 Die Staatsverträge. 17 
ist er beim Erlasse von Anordnungen an die Staatsangehörigen 
an die mannigfachsten Formen, insbesondere bei den der Gesetzgebung 
unterliegenden Gegenständen an die Zustimmung der Volksver- 
tretung gebunden. Völkerrechtliche Verträge können sich nun über 
alles dasjenige erstrecken, was überhaupt Gegenstand der staatlichen 
Tätigkeit sein kann. So kann der Monarch auch Verträge über 
Gegenstände schließen, die nach dem Staatsrechte des betreffenden 
Staates in das Gebiet der Gesetzgebung fallen. Völkerrechtlich, d. h. 
bei Eingehung des Vertrages, ist der Monarch in diesem Falle 
keiner Beschränkung unterworfen, staatsrechtlich, d. h. bei Erlaß 
der zur Erfüllung des Vertrages dienenden Anordnungen, ist er 
an die Mitwirkung der Volksvertretung gebunden. Der Monarch 
verpflichtet sich daher möglicherweise rechtsgültig zu etwas, was 
er nicht zu erfüllen vermag, weil die Volksvertretung ihre Zu- 
stimmung verweigert. So ist die Möglichkeit eines Widerspruchs 
zwischen Völkerrecht und Staatsrecht, zwischen Abschluß und Wirk- 
samkeit der Staatsverträge gegeben. 
Vollständig auf dem juristisch folgerichtigen Standpunkte steht 
in dieser Beziehung das englische Rechts:). Es überläßt den Ab- 
schluß völkerrechtlicher Verträge ohne jede Beschränkung dem 
Könige und sieht die Sicherung gegen einen etwaigen Mißbrauch 
dieser Prärogative einzig in der Ministerverantwortlichkeit. Der 
Vertrag wird also ohne jede Mitwirkung des Parlaments rechtlich 
zustande gebracht. Bedarf jedoch ein Vertrag zu seiner Erfüllung 
staatlicher Anordnungen, die in das Gebiet der Gesetzgebung fallen, 
z. B. Aenderungen in der Zivil= oder Strafgesetzgebung oder in 
dem bestehenden Zolltarife, so muß dem Parlamente darüber eine 
Vorlage gemacht werden. Der Vertrag wird allerdings dem Parla- 
mente vorgelegt, aber nur als Begründung zu dem Gesetzentwurfe. 
Die Beschlußfassung des Parlaments hat nicht die Genehmigung 
des Vertrages, sondern des zu seiner Ausführung zu erlassenden 
Gesetzes zum Gegenstande. Bezüglich des Gesetzentwurfs hat aber 
das Parlament rechtlich vollkommen freie Hand, es kann das 
Gesetz verwerfen, abändern oder unverändert genehmigen, und zwar 
deshalb, weil in der englischen Praxis nicht das abgekürzte Ver- 
sahren beliebt wird, den Vertrag selbst zur Genehmigung vor- 
— 
— 
2) Vgl. darüber Gneist bei E. Meier a. a. O. S. 340 ff. 
Bornhak, Preußisches Staatsrecht. III. 2. Aufl. 2
	        
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