81561 Die Staatsverträge. 19
formell dem Monarchen zu. Tatsächlich werden sie doch aber von
dem Verwaltungsausschusse des Parlaments, dem derzeitigen
Kabinette, welches sich in Uebereinstimmung mit der jeweiligen
Parlamentsmehrheit befindet, abgeschlossen, und der Monarch gibt
bloß seine Unterschrift ab, versieht also Aufgaben, die ebensogut,
vielleicht kalligraphisch schöner vermittels eines dem Kabinette von
der Parlamentsmehrheit anvertrauten Stempels erledigt werden
könnten. Daß unter diesen Umständen sich keine Streitfälle heraus-
stellen, ist natürlich. Aber es ist sehr zu bezweifeln, ob sich in
einem monarchischen Staate oder auch nur in einem Staate, dessen
Minister nicht aus der Parlamentsmehrheit hervorgehen, die Sache
so glatt abwickeln würde. Es erscheint daher natürlich, daß man eine
andere Lösung versucht hat.
Nach derjenigen Ansicht, wonach die Bestimmungen eines
rechtsgültig abgeschlossenen Staatsvertrages unmittelbar für die
Staatsangehörigen verbindlich sind, war ein Widerspruch zwischen
Staatsrecht und Völkerrecht überhaupt nicht möglich. Der Abschluß
des Staatsvertrages band auch die Staatsangehörigen der Ver-
tragschließenden, völkerrechtliche Gültigkeit und staatsrechtliche
Wirksamkeit eines Vertrages deckten sich also. Auf diesem Stand-
punkte steht beispielsweise das Staatsrecht der amerikanischen Union.
Da man bei Abfassung der Konstitution den Abschluß von Ver-
trägen unter keine der drei Gewalten unterbringen konnte, schuf
man eine besondere FTreaty making power, die dem Präsidenten in
Verbindung mit dem Senate übertragen wurde. Der Präsident
der Vereinigten Staaten ist zum Abschlusse völkerrechtlicher Ver-
träge befugt, sofern der Senat zu dem Abschlusse seine Zustimmung
gegeben hat. Ist der Vertrag aber einmal abgeschlossen und ver-
klindet, so gilt er wenigstens nach der herrschenden Ansicht ohne
weiteres als für die Staatsangehörigen verbindliches Landesgesetz“).
Das amerikanische System stimmt also nicht mit dem englischen
überein (wie Gneist annimmt), sondern befindet sich zu ihm im
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4) V9I. Const. of the U. St. Art. VI, 2: „This constilution and the
laws of the United States which shall be made in pursuance thercol,
and all trcaties made or which shall be made, under the authority
of the United States, Snall be the supreme lawof the land,
and the judges in every State shall be bound thereby anything in the
Constitution or laws ol any State notwithstanding.“
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