8180 Geschichtl. Entwicklung d. gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse. 299
den auswärts Dienenden oder observanzmäßige Dienste zu fordern,
sowie die Befugnis, die Untertanen zur Annahme einer bäuer-
lichen Stelle zu zwingen.
Dagegen blieb die dingliche Seite des gutsherrlich-bäuerlichen
Verhältnisses, die Verpflichtung der Bauern zu den auf ihrem
Gute ruhenden Zins= und Dienstleistungen und die dingliche
Abhängigkeit der bäuerlichen Besitzungen vom Großgrundbesitze,
durch die Aufhebung der Erbuntertänigkeit vollkommen unberührt.
Ja als Entschädigung der Großgrundbesitzer für die Aufhebung
der persönlichen Dienste wurde sogar der bisherige Bauernschutz
fast vollständig aufgegeben. Schon das Edikt vom 9. Oktober
1807 hatte den Gutsbesitzern gestattet, falls sie die vorhandenen
bäuerlichen Stellen nicht erhalten oder herstellen zu können ver-
meinten, mit Genehmigung der Kriegs- und Domänenkammer die
nicht erblichen Stellen ohne weiteres, die erblichen nach Ent-
schädigung des Berechtigten zu einer anderen bäuerlichen Besitzung
oder zu ihren Vorwerken zu schlagen. Besondere Instruktionen
für die einzelnen Kriegs-- und Domänenkammern waren in dieser
Beziehung vorbehalten. Diese Ausführungsverordnungen, für
Preußen vom 14. Februar 1808, für Schlesien vom 27. März
1809, für Pommern und die Marken vom 9. Januar 1810, gingen
aber noch viel weiter als das Edikt selbst. Die Bauernhöfe neueren
.Ursprungs, das Ergebnis der sriderizianischen Sozialpolitik, wurden
einfach dem Großgrundbesitze preisgegeben. Es fand die Festsetzung
gewisser Normaljahre, für Ostpreußen 1752, für Westpreußen 177/4,
für Schlesien 1749, für die Mark und Pommern 1763, statt, in
denen für die einzelnen Provinzen ein wirksamer Schutz des Bauern-
landes begonnen, und den Gutsherren die Wiederbesetzung der
früher nachweisbar vorhandenen, aber wüste gewordenen Stellen
aufgegeben war. Diese neuen wiederbesetzten Stellen wurden voll-
ständig der Verfügung des Gutsherren überlassen. Aber auch die
älteren durfte er zu Vorwerksland einziehen, wenn er zu gleicher
Zeit eine ebenso große Fläche Bauernland, als zu Vorwerksland
gemacht wurde, in große erbliche Bauerngüter, frei von Dienst-
zwang und sonstigen Leistungen verwandelte. Daß sich an diese
Bestimmungen keine große Besitzumwälzung anknüpfte, lag wohl
vorzugsweise nur an dem durch den Krieg verursachten Kapital-
mangel der größeren Grundbesitzer.