382 Das Verwaltungsrecht. 187
der die nötige Ausbildung erlangt hat, steht auch die Aufnahme
in der Zunft offen. Die Zunft verhindert hierdurch auch einen
sozialen Klassengegensatz zwischen selbständigen und unselbständigen
Arbeitern.
Schon seit Mitte des 16. Jahrhunderts werden aber die
Zünfte ihren sozialen Aufgaben in immer geringerem Maße
gerecht. Daß die Zunftgenossen, welche über die Aufnahme
neuer Mitglieder in die Zunft zu entscheiden hatten, sich
dabei nicht immer von der Tüchtigkeit der Bewerber allein
leiten ließen, daß seine Verbindung mit einer Meisterstochter oder
Meisterswitwe ihn dem Ziele seiner Wünsche erheblich näher brachte,
mag wohl von jeher vorgekommen sein. In so bescheidenen Grenzen
hielten sich jedoch die Zunftmißbräuche nicht immer. Die Zunft-
meister gewöhnten sich mehr und mehr daran, ihre durch Privi-
legien geschützte Stellung nicht als Mittel zur Regelung des Ge-
werbebetriebes, sondern als Selbstzweck zu betrachten. Die Aus-
schließung aller Personen, die nicht Zunftgenossen waren, vom
Gewerbebetriebe, sowie die Prüfung der Personen, welche ihre
Aufnahme in die Zunft nachsuchten, wurden benutzt, um den
Innungsmeistern in jeder Beziehung ihre gewinnbringende
Stellung zu sichern. Die Zünfte beschränkten sich allgemein auf
eine geschlossene Anzahl von Zunftmeistern und suchten die neuen
Bewerber, soweit sie nicht mit Zunftmeistern verwandt waren,
durch hohe Kosten schon von Anfang an wirtschaftlich zu vernichten
und wettbewerbunfähig zu machen. Waren die Zünfte in ihrer
Blütezeit ein Schutz der erwerbenden Arbeit gegen das Kapital
gewesen, so hatten sie nunmehr diese ihre soziale Aufgabe in ihr
Gegenteil verkehrt, sie bildeten ein Bollwerk des Privilegienkapitals
der Zunftmeister gegen die erwerbende Arbeit. Gleichwohl sind sie
aber ein Hemmnis jeder größeren kapitalistischen Erzeugung, jeder
Verbesserung der Vertriebsmittel, wozu die volkswirtschaftliche Ent-
wicklung mehr und mehr hindrängte.
Diese Mißbräuche des Zunftwesens führen in Brandenburg
Preußen schon unter dem großen Kurfürsten auf den Gedanken,
die Zünfte überhaupt aufzuheben, den Zunftzwang durch eine all-
gemeine Gewerbefreiheit zu ersetzen. Wenn man diesen Plan sehr
bald aufgab und sich zu einer Reform des Gewerberechtes auf
der Grundlage des Zunftzwanges entschloß, so beruhte dies vor-