600 Das Verwaltungsrecht. 8214
welche gegenwärtig besonders vertreten wird von Hänel, o. Martitz
und Zorn, folgert aus dem Gesetzescharakter des Etats, daß er
absolute Grundlage aller staatlichen Einnahmen und Ausgaben
ist, daß jede nicht etatsmäßige Einnahme oder Ausgabe jeder
rechtlichen Grundlage entbehrt. Die zweite Richtung, unter deren
Anhängern sich sowohl Verteidiger wie Gegner des bloß formellen
Gesetzesbegriffs befinden, hält den Etat zwar nicht für eine
absolute, aber doch für eine relative Grundlage der staatlichen
Finanzwirtschaft. Im einzelnen gehen aber hier die Ansichten
wieder auseinander. Während v. Rönne in dem Etat eine Voll-
macht für die Behörden sieht, die an und für sich zu Recht be-
stehenden Einnahmen zu erheben und die Ausgaben zu leisten,
steht Arndt zwar im allgemeinen auf demselben Standpunkte,
mißt aber dem Etat rechtliche Bedentung nur bei für das Ver-
hältnis der Staatsregierung zur Volksvertretung, nicht aber für
das Verhältnis des Staates zu seinen Gläubigern und Schuldnern.
Diesen beiden Vertretern der relativen Auffassung schließt sich
Seidler an, der in etwas abweichender Darstellung den Etat zwar
nicht für eine Vollmacht, aber doch für eine rechtliche Voraus-
setzung der Verwaltung erklärt. Die dritte Ansicht endlich wird
vertreten von den Anhängern des bloß formellen Gesetzesbegriffs,
der ja bekanntlich vorzugsweise durch die Eigentümlichkeit des
Etatsgesetzes entstanden ist. Nach dieser gegenwärtig herrschenden,
u. a. von Fricker, v. Gneist, Laband, v. Gerber, H. v. Schulze,
G. Meyer, Seligmann, Prazak, Jellinek vertretenen Auffassung,
die allerdings in den Einzelheiten wieder verschiedene
Schattierungen aufweist, enthält der Etat keinerlei Rechtsnormen,
sondern hat vielmehr die bestehende Rechtsordnung zur Voraus-
setzung und ist an sie gebunden. Er ist daher hinsichtlich der zu
Recht bestehenden Einnahmen und der rechtlich notwendigen Aus-
gaben Wirtschaftsplan oder Ausführungsverordnung zu den gelten-
den Rechtsnormen. Die Bedeutung eines rechtlichen Fundaments
der Finanzwirtschaft wird dem Etat höchstens hinsichtlich der
übrigen Ausgaben und auch dies nicht einmal von allen Schrift-
stellern zugeschrieben.
Bei der Untersuchung des rechtlichen Wesens des Etats ist zu
unterscheiden zwischen der Einnahmeseite und der Ausgabeseite-
Für die Staatseinnahmen stellt sich der Etat selbst dar als