622 Das Verwaltungsrecht. 6 216
ein Generalkontrolleur der Finanzen. Augenscheinlich suchte man
gegen Ende des 18. Jahrhunderts die bei der Zersplitterung des
Generaldirektoriums in zahlreiche Real= und Provinzialdeparte-
ments verloren gegangene Einheit der Finanzverwaltung wieder-
zugewinnen, indem man der Oberrechenkammer eine möglichst
machtvolle Stellung zu geben versuchte. Dieser Plan scheiterte
jedoch im wesentlichen an dem fest geschlossenen preußischen Be-
hördenorganismus, der solchen neuen Bildungen keinen Raum
mehr verstattete.
In den Reformgesetzen von 1808 bis 1810 wird die Ober-
rechnungskammer nur beiläufig erwähnt. So sollte sie nach dem
Publikandum vom 16. Dezember 1808 hinsichtlich des formalen
Geschäftsganges unter dem gesamten Staatsrate, wie er damals
in Aussicht genommen war, stehen, dagegen hinsichtlich der Ge-
schäftsführung dem Könige unmittelbar verantwortlich sein, und
von diesem Befehle erhalten. Durch die Verordnung vom
27. Oktober 1810 wurde sie dem Staatskanzler unterstellt, und es
wurde außerdem bestimmt, daß sie die Prüfungsbehörde für alle
Rechnungen und Etats und über alle landesherrlichen Fonds
ohne Ausnahme sein solle. Erst nach der Wiederherstellung des
Staates erging am 22. Februar 1817 das Zirkular über die
Organisation der Oberrechnungskammere). Außerdem erhielt sie
am 18. Dezember 1824 eine ausführliche, noch jetzt in Kraft
stehende Instruktions). Art. 104 der Verfassungsurkunde räumte
nun aber auch dem Landtage eine Rechnungskontrolle über die
Finanzverwaltung ein. Diese war gedacht als in Verbindung
stehend mit derjenigen der Oberrechnungskammer. Die weitere
Ausführung blieb aber einem besonderen Gesetze vorbehalten,
welches die Einrichtung und die Befugnisse der Oberrechnungs-
kammer bestimmen sollte. Dieses Gesetz ist auch am 27. März
1872 erlassen wordent). Das Verhältnis gestaltet sich demnach
in folgender Weise.
Nach Art. 104 der Verfassungsurkunde werden die Rech-
nmungen über den Staatshaushaltsetat von der Oberrechnungs-
2) v. Kamptz, Ann. Bd. 1, Abt. 1, S. 37.
3) A. a. O. Bd. 9, S. 2.
4) G . 1872, S. 278. Ergänzung durch Gesetz vom 22. März 1912
— GS. 1912, S. 29 —.