628 Das Verwaltungsrecht. 8217
Verschiedenheit dieser Vollmacht von den gewöhnlichen Vollmachten
des Privatrechts. Während ein gewöhnlicher Vollmachtgeber den
sür das betreffende Rechtsgeschäft, welches abgeschlossen werden
soll, geltenden Rechtsnormen unterworfen ist, kann der Staat
diese für den einzelnen Fall abändern, wie überhaupt die bestehende
Rechtsordnung jederzeit durch Gesetz abgeändert werden kann.
Weil also die Vollmacht in Gesetzesform ergeht, ist der Staat bei
ihrer Erteilung für das abzuschließende Rechtsgeschäft an die
allgemeinen Rechtsnormen nicht gebunden, sondern er kann un—
bekümmert um sie in der Vollmacht Bestimmungen treffen. Diese
sind dann nicht nur Anweisungen an die Behörden, sondern gleich—
zeitig Sonderrechtsnormen für den einzelnen Fall, welche den
allgemeinen Rechtsnormen vorgehen, so daß für diese nur eine
subsidiäre Geltung bleibt.
Die Aufnahme der Anleihen fand bis in das 18. Jahrhundert
hinein unter denselben Bedingungen statt wie die der Privat—
anleihen, so daß beide Teile ein Kündigungsrecht hatten. Dagegen
wird solches jetzt für die Staatsgläubiger allgemein ausgeschlossen.
Die Anleihe wird in eine größere Anzahl einzelner Obligationen
von verschiedenem Nennbetrage zerlegt. Die einzelnen Obligationen
werden ausgefertigt als Inhaberpapiere mit Zinsscheinen und
Zinsanweisungen und vom Staate zu dem Kurse ausgegeben,
zu dem die Börse die Anleihe übernimmt (Emissionskurs). Der
Staat hat jederzeit das Kündigungsrecht und tilgt die Anleihe
Jahr für Jahr nach einem bestimmten Tilgungsplane durch Aus-
losung einzelner Stücke. Die Gläubiger haben zwar ein
Kündigungsrecht nicht. Ein solches ist aber auch entbehrlich,
da die Scheine als Inhaberpapiere auf die leichteste Weise ver-
äußert werden können.
Auser den Inhaberschuldverhältnissen gibt es aber gegen-
wärtig auch noch Namensschuldverhältnisse. Durch das Gesetz vom
20. Juli 1883 betreffend das Staatsschuldbuch mit Ergänzung vom
22. Mai 19105) ist es den Inhabern von Staatsschuldverschrei-
bungen der konsolidierten Anleihe ermöglicht worden, gegen deren
Einlieferung ihre Forderungen in das Staatsschuldbuch auf ihren
Namen eintragen zu lassen. Damit treten diejenigen Personen,
5) GS. 1883, S. 120; 1910, S. 47. Auss. Best. vom 30. Mai 1910
— Ml. d. inn. Verw. 1910, S. 173.