Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

8221 Der Staat und die katholische Kirche. 681 
zehn Tagen nach Empfang der Mitteilung hat der Oberpräsident 
ein Einspruchsrecht. Die Strafbestimmungen, durch welche früher 
die Beobachtung dieser Vorschriften erzwingbar war, sind seit 1887 
fortgefallen. Der Staat kann höchstens noch die betreffenden Amts- 
handlungen als nichtig betrachten. 
Die besondere Aufsicht des Staates gegenüber der katholischen 
Kirche erstreckt sich auf die Genehmigung kirchlicher Erlasse, die 
Beaufsichtigung der Vermögensverwaltung nach Maßgabe der 
Staatsgesetze und die Regelung des Ordenswesens. 
Das landesherrliche Placet, d. h. die Verpflichtung der kirch- 
lichen Behörden, ihre Erlasse vor der Verkündigung dem Staate 
zur Genehmigung vorzulegen, war bis zur Einführung der Ver- 
fassungsurkunde im größten Teile des Staatsgebietes geltendes 
Recht. In den landrechtlichen Gebietsteilen durfte nach §8 117, 
118 II, 11 ALR. kein Bischof in Religions= und Kirchenangelegen- 
heiten ohne Erlaubnis des Staates neue Verordnungen machen, 
oder dergleichen von fremden geistlichen Oberen annehmen, auch 
mußten alle päpstlichen Bullen, Breven und alle Verordnungen 
auswärtiger Oberen der Geistlichkeit vor ihrer Verkündigung und 
Vollstreckung dem Staate zur Prüfung und Genehmigung vor- 
gelegt werden. In den Gebietsteilen, welche zu Frankreich ge- 
hört hatten, war nach den organischen Artikeln vom 18. Germinal X 
das staatliche Placet erforderlich für alle von Rom ausgehenden 
Bullen und Erlasse und die Dekrete auswärtiger Konzilien. Aus- 
genommen blieben nach dem Dekrete vom 28. Februar 1810 nur 
die Dekrete der Poenitentiaria für das Gewissensforum. In Han- 
Nover bedurften nach dem Landesverfassungsgesetze vom 6. August 
1840 in Verbindung mit der Verfassungsnovelle vom 5. September 
1848 alle allgemeinen Anordnungen der katholischen Kirchen- 
behörden, welche nicht rein geistliche Angelegenheiten betrafen, 
vor ihrer Veröffentlichung und Vollziehung der kgl. Genehmigung, 
ie übrigen waren der Staatsbehörde zur Kenntnisnahme vorzu- 
legen. In den Staaten der oberrheinischen Kirchenprovinz endlich 
war durch eine von ihnen übereinstimmend erlassene Verordnung 
bom 30. Januar 1830 angeordnet, daß die von den kirchlichen 
Behörden ausgehenden allgemeinen Anordnungen wie besondere 
Verfügungen von Wichtigkeit einschließlich der päpstlichen Bullen, 
reven und sonstigen Erlasse der Genehmigung des Staates unter-
	        
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