§ 155 Das Militärjustizwesen. 63
sonderen Verfahren verfolgt, für das Disziplinarkammern bei den
Oberkriegsgerichten und ein Disziplinarhof bei dem Reichsmilitär=
gerichte bestehen.
Neben den Militärgerichten bestehen Ehrengerichter) zur Be-
urteilung solcher Handlungen und Unterlassungen der Offiziere,
die an sich nicht strafbar, gleichwohl dem Ehrgefühl oder den
Verhältnissen des Offizierstandes zuwider sind, und solcher Fälle,
in denen Offiziere zum Schutze ihrer eigenen Ehre auf einen.
ehrengerichtlichen Spruch antragen. Die Entscheidung der Ehren-
gerichte kann auf Warnung, Entlassung mit schlichtem Abschied
oder Entfernung aus dem Offizierstande lauten und bedarf der
Allerhöchsten Bestätigung. Die Ehrengerichte bestehen für Haupt-
leute oder Rittmeister und Subalternoffiziere aus dem Offizier-
korps, für Stabsoffiziere aus einem General und neun Stabs-
offizieren des Armeekorps. Zur Vorbereitung der Entscheidungen
wählen die Ehrengerichte alljährlich einen Ehrenrat.
Gegenüber den verurteilenden Erkenntnissen der Militär-
gerichte steht dem Könige das Begnadigungsrecht in dem gewöhn-
lichen Umfange zus). Bei der Ehrengerichtsbarkeit hat er ein Be-
stätigungsrecht.
Die oberste Verwaltungsstelle für das Militärjustizwesen bildet
das durch Patent vom 23. Oktober 17982) errichtete Militärjustiz-
departement, bestehend aus dem Justizminister und dem Kriegs-
——
!) V. 2. Mai 1874, geändert (§ 62) AéO. 27. Juni 1890 (A#B.
157), (§ 13) 5. Nov. 1891 das. 246), (§ 60) 27. Dezember 1906
(das. 1907 S. 31) u. Vf. des Just. Min. 5. Feb. 1907 (JWMB. 26). Ver-
abschiedete Offiziere unterstehen bezüglich des Rechts zum Tragen der
Uniform den Ehrengerichten. Vgl. Entsch, des Kamm. Ger. 25. Februar 1908.
8) Auch dieses Begnadigungsrecht ist, soweit es sich um Angehörige
anderer deutscher Staaten handelt, durch die Militärkonventionen in ver-
schiedener Weise geändert worden, und zwar entweder in der Weise, daß den
Landesherren das Begnadigungsrecht wegen nicht militärischer Vergehen
überlassen ist (Baden, Oldenburg), oder derart, daß eine gemeinsame
Ausübung des Begnadigungsrechtes durch den König von Preußen und
den betreffenden Landesherren stattfinden soll (Hessen, Mecklenburg-
Schwerin, Mecklenburg-Strelitz). Nach den meisten übrigen Konventionen
sollen Wünsche des Landesherren in dieser Beziehung tunlichste Berück-
sichtigung finden. Vgl. darüber G. Meyer, Verwaltungsrecht Bd. 2
a. a. O.
) N. C. C. X, 3 Nr. 81.