8158 Rechtsprechung und Justizverwaltung. 77
Tätigkeit der Richter und Schöffen. Aber auch ihre amtliche
Stellung wird ähnlich. Bei den kleineren Gerichten waren die
Schöffen infolge der Zersplitterung der Gerichtsbezirke längst ver-
schwunden, bei den größeren Gerichten werden sie nunmehr durch
wissenschaftlich gebildete, vom Landesherren oder von der be-
treffenden Stadt in Dienst genommene Juristen ersetzts). Das
gesamte Gerichtspersonal, nicht mehr wie bisher allein der Richter
steht also in einem Beamtenverhältnisse zum Gerichtsherren, eine
Tatsache, die auch auf die Gerichtsbehörden ihre Rückwirkung äußert.
Indem somit die Gerichte den Charakter landesherrlicher Behörden
annehmen, geht jeder Unterschied zwischen Gerichthalten und Urteil-
finden verloren, in beiden Beziehungen ist die Tätigkeit der Gerichte
und des Gerichtspersonals die gleiche, in beiden Beziehungen sind die
Gerichte in gleicher Weise dem Landesherren untergeordnet.
Während sich nun im Verhältnisse zum Landesherren als not-
wendige Folge der Aufhebung des Unterschiedes zwischen Gericht-
halten und Urteilen die rechtliche Zulässigkeit der Kabinettsjustiz
ergab, war doch innerhalb des Behördenorganismus selbst die Tätig-
keit der Gerichte immer an wesentliche prozessnale Formen geknüpft.
Die Verwandlung der Gerichte in landesherrliche Behörden hatte
nicht die Folge gehabt, daß die Gerichte nunmehr die an sie ge-
langenden Sachen in formloser Weise durch ein gewöhnliches Ver-
waltungsdezernat erledigten. Sobald der alte Unterschied zwischen
Gerichthalten und Urteilfinden verschwunden ist, entwickelt sich ein
anderer zwischen denjenigen Geschäften, bei denen die Gerichte an
prozessuale Formen gebunden sind, und denjenigen, bei denen dies
nicht der Fall ist. Diese Unterscheidung mußte von besonderer
Wichtigkeit sein in einer Zeit, in der die sogenannte Trennung der
Justiz von der Verwaltung noch nicht erfolgt war, sondern die
Gerichte noch alle möglichen Verwaltungsgeschäfte zu versehen
hatten. Welche Geschäfte zu der einen oder der anderen Art gehörten,
bestimmte sich nach dem Ergebnisse der bisherigen Rechtsentwicklung.
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hier, daß er unparteiisch wolle „recht ergehen lassen, richten vnnd vrteilen“,
die Schöffen oder Urteilsprecher, daß sie wollen „rechte vrtheyl geben
vnd richten“, die Tätigkeit von Richter und Schöffen ist also schon als
inhaltlich übereinstimmend aufgefaßt.
3) Vgl. A. Stölzel, Die Entwicklung des gelehrten Richtertums in
deutschen Territorien, 2 Bände, Stuttgart 1872.