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zahlen, und andrerseits durch die Überweisung
von Anteilen an den Reichssteuern. Das Nähere
in dieser Hinsicht gehört jedoch dem Reichs-
staatsrechte an.
IH. Gebiet des geistigen Lebens.
8 42. Der Staat und die Religions-
gesellschaften.*)
Der Ausgangspunkt ist die reichsrechtlich
durch das Bundesgesetz vom 3. Juli 1869 an-
erkannte individuelle Glaubens- und Gewissens-
freiheit. Jeder kann, ohne Rechtsnachteile im
bürgerlichen Leben befürchten zu müssen, glauben,
was er will, und dieser Überzeugung auch Aus-
druck geben. Dafür gelten aber einmal die
Schranken des Strafrechtes (Gotteslästerung, Bi-
gamie). Außerdem darf niemand unter Berufung
auf seinen religiösen Glauben sich seinen Pflichten
als Reichs- und Staatsangehöriger entziehen.
Die weitere Ausführung dieser in Baden
schon längst nach 88 18, 19 der Verfassungs-
urkunde geltenden Grundsätze ist erfolgt durch
die beiden Landesgesetze vom 9. Oktober 1860,
betreffend die rechtliche Stellung der Kirchen
und kirchlichen Vereine im Staate (R.B. Nr. LI,
S. 375), mit Novellen von 1874, 1880 und 1888,
und betreffend die Ausübung der Erziehungs-
rechte in bezug auf die Religion der Kinder
(a. a. O. S. 380).
Aus der allgemeinen Glaubens- und Gewissens-
freiheit folgt die Befugnis zum Religionswechsel
nach Erreichung der religiösen Mündigkeit, die
auf das vollendete 16. Lebensjahr festgesetzt ist.
98) Vgl. Spohn, Badisches Staatskirchenrecht, Karlsruhe