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II. Die Gesetzgebung.
818. Wesen und Entstehung des
Gesetzes.
Das Wort Gesetz wird in einem doppelten
Sinne gebraucht, materiell nach dem Inhalte,
formell nach der Entstehung. Gesetz im materiel-
len Sinne ist jeder Rechtssatz, insbesondere der
von Staats wegen erlassene. So sagt Art. 2. E.G.
zum B.G.B.: „Gesetz im Sinne des Bürgerlichen
Gesetzbuchs und dieses Gesetzes ist jede Rechts-
norm.“ Ähnlich die E.G. zu den anderen reichs-
rechtlichen Kondifikationen. Gesetz im formellen
Sinne bedeutet dagegen den in besonderen Formen
zustande gekommenen Staatsakt ohne Rücksicht
auf seinen Inhalt, ım konstitutionellen Staate
insbesondere den, für dessen Erlaß es der Zu-
stimmung der Volksvertretung bedarf.
Im Sinne der konstitutionellen Lehre sollen
die beiden Begriffe sich decken, Rechtssätze von
Staats wegen nur in Gesetzesform zustande
kommen können, und jeder gesetzgeberische Akt
einen Rechtssatz enthalten. Tatsächlich ist diese
Übereinstimmung nicht erreicht. Es gibt formelle
Gesetze ohne Rechtsinhalt und staatlich erlassene
Rechtsnormen, die nicht auf Gesetz, sondern auf
Verordnung beruhen. Während das materielle Ge-
setz wesentlich in der Lehre von den Rechts-
quellen eine Rolle spielt, kommt staatsrechtlich
hauptsächlich das formelle Gesetz in Betracht.
Es ist daher auch hier in erster Linie die Ent-
stehung des Gesetzes zu behandeln.
Zunächst muß als Ausgangspunkt der gesetz-
geberischen Tätigkeit eine Vorlage vorhanden
sein. Wer diese macht, ist gleichgiltig. Tatsäch-
lich werden die meisten Gesetzesvorlagen in den
zuständigen Ministerien ausgearbeitet, da hier die