Full text: Die Legitimation einer usurpirten Staatsgewalt. Erste Abtheilung. (1)

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J. Unter „Anerkennung“ versteht der deutsche Sprachgebrauch 
das Eingeständniß des Vorhandenseins einer Thatsache. Von der 
Erkenntniß unterscheidet sich die Anerkennung einmal dadurch „daß 
sie kein rein innerer Vorgang ist, sondern zu ihrem Wesen eine 
Aeußerung gehört; ferner dadurch, daß die anerkannte Thatsache 
immer von einer andern Seite behauptet sein oder mindestens als 
behauptet gedacht werden muß, während die Erkenntniß sich nur 
auf die Thatsache selbst bezieht ?,.). Daß die Thatsache wirklich 
(objektiv) vorhanden sei, gehört nicht zum Begriff der Anerkennung, 
eben so wenig wie zu dem der Erkenntniß. — Es leuchtet ein, daß 
in dieser Allgemeinheit die Anerkennung kein juristischer Begriff 
sein kann; ob wir z. B. eine physikalische Thatsache anerkennen oder 
nicht, ist für das Recht ganz gleichgültig. Aber auch bezogen auf 
Rechtsverhältnisse oder Rechtssätze oder die Voraussetzungen der einen 
oder anderen (juristischen Thatsachen) hat die Anerkennung in der Re- 
gel keine rechtliche Wirkung; sie ist weder ein allgemeines Rechts- 
institut, noch eine Rechtsquelle; denn die Berechtigungen und die 
Rechtsnormen haben eine von der Anerkennung der Verpflichteten 
sowohl als Dritter unabhängige Existenz, und andererseits wird 
man durch irrthümliche Anerkennung einer in Wahrheit nicht vor- 
handenen Berechtigung oder Rechtsnorm durchaus nicht für die Zu- 
kunft verpflichtet. Indessen giebt es scheinbare und wirkliche Aus- 
nahmen von diesen Grundsätzen). 
1. Nur scheinbar ist die Anerkennung von rechtlicher Bedeutung 
dann, wenn durch dieselbe indirekt ein Wille, dem rechtschaffende 
H. 
  
174) Insofern die Thatsache als schon vorhanden, mithin in ihrem Dasein 
als vom Willen des Anerkennenden unabhängig vorgestellt wird, andererseits aber 
zur Anerkennung wie zu jeder Handlung ein Wille gehört, kann Trendelenburg 
(Naturrecht, S. 527) mit Recht darin die beiden Momente des Zwangs und 
der Freiheit finden; aber er unterscheidet nicht genügend den Willen, anzuerken- 
nen, von dem Willen, eventuell die anerkannte Thatsache in das Leben zu rufen, 
beziehungsweise ihr Bestand zu geben; nur durch diesen Mangel erklärt sich seine 
Behauptung, daß jene beiden Momente in der Anerkennung „wechselseitig gebun- 
den“ seien. 
175) Als juristischer Terminus gebräuchlich ist das Wort „Anerkennung“ 
besonders im Völkerrecht; aber in Betreff der Natur und Wirkung der völker- 
rechtlichen Anerkennung herrscht so viel Zweifel und Streit, daß dieselbe keine 
Basis einer allgemeinen Betrachtung bilden kann, vielmehr die letztere für den 
völkerrechtlichen Theil unserer Aufgabe nicht weniger nolhwendig ist als für den 
staatsrechtlichen.
	        
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