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zu nehmen oder doch in seiner Bedeutung zu schwächen und
die illegitimen Souveräne durch eine Berufung auf den Willen
des Volks zu legitimiren versuchte, also den Gegensatz der
legitimen und illegitimen Dynastien selbst in den der Dynastien
ven Gottes und von Volkes Gnaden umgewandelt hatte.
Die Revolution hat sonach den erneuerten Anstoß zu der
Entwickelung der ihr so feindlichen Lehre gegeben. Daher er-
klärt es sich auch, daß es vor allem französische Schriftsteller
waren, welche die göttliche Verleihung der monarchischen Ge-
walt zur Grundlage einer mehr oder weniger absolutistischen,
regelmäßig nur zu Gunsten der Aristokratie und des Klerus
beschränkten Monarchie zu machen versuchten. Wir nennen
hier insbesondere Bonald und de Maistre.
Der erste ½) stand nicht an, nur den Juden richtige phi-
losophische Erkenntniß zuzusprechen und der Philosophie des
Plato nur deshalb den Charakter der Größe und Wahrheit
zuzuerkennen, weil Plato „ohne Zweifel“ Kenntniß von den
Lehren der Juden gehabt. 2) Alle übrige Philosophie der
Griechen sei eitler Luxus des Geistes gewesen, und, da die
Meinungen eines Menschen seine Philosophie, die eines Volks
aber seine Gesetzgebung ausmachten, so habe bei den Heiden
eine irrige Philosophie auch irrige Gesetzgebungen erzeugt, in
denen die Welt zu Grunde gegangen. Da sei aus der jüdischen
Lehre und Gesetzgebung das Christenthum entstanden, welches,
nachdem die Philosophie der Hebräer die Ursache geoffenbart,
die Philosophie der Heiden aber bei den Wirkungen stehen
) Vicomte de Bonald, Législation primitive (1802). Mir ist nur
eine deutsche Uebersetzung: Die Urgesetzgebung, aus dem Französischen
des Herrn von Bonald (Mainz 1825) zugänglich gewesen.
:) Ebendas., S. 1—4.
Brockhaus, Legitimitätsprincip. 7