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Eigenschaft der europäischen Monarchie erhoben: der Adel.
Hat sich der Genannte auch nicht in so ausführlicher Weise
wie Bonald diesem Thema zugewendet, das wenige, was er
über den Adel sagt, geht noch weit über dasjenige hinaus,
was Bonald von dem erblichen Ministerium, besonders dem
französischen, behauptet und rühmt: auch der Adel ist wie die
Souveränetät göttlichen Ursprungs, und die adelichen Geschlechter
ragen durch ihre Beschaffenheit über die übrige, niedrig geborene
Menschheit in ähnlicher Weise hinaus wie die legitimen
Fürsten. 1
De Maistre sagt dies alles mit offener, männlicher Ehr-
lichkeit und verschmäht sogar die Berufung auf Zweckmäßigkeit
und Nützlichkeit der alten, von ihm für heilig erklärten, auf
Gottes Sanction begründeten Institutionen nicht, um die Vor-
theile ihrer Wiedereinführung der Einsicht der modernen Cultur-
völker begreiflicher zu machen. Verursacht uns deshalb sein
Werk auch nicht die peinliche Empfindung, wie Bonald's
Staatslehre, welche hinter der Maske metaphysischen Tiefsinns
und frommer Demuth ein kleinliches und egoistisches Programm
verbirgt, so erscheint uns doch auch de Maistre nicht wie ein
frommer selbstloser Eiferer, sondern wie ein vorurtheilsvolles
Kind der modernen Zeit, welches die an sich ehrenwerthe Auf-
gabe, der Welt den lange entbehrten Frieden wiederzubringen
und durch feste Institutionen zu sichern, durch eine möglichst
weitgehende Rückbildung der durch die Revolution entstandenen
Staatseinrichtungen in die vorrevolutionären Zustände zu er-
reichen und dabei nur, seinen jesuitischen Lehrmeistern getreu ),
die Wiederbelebung der freisinnigen religiösen Anschauungen
1) Vgl. H. v. Sybel, a. a. O., S. 195.
2) Ebendas., S. 188.