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und der episkopalistischen Tendenzen, welche vor der Revolution
überall herrschten, zu vermeiden strebt. Mit seinen Sympa-
thien gehört er durchaus der Partei an, welche in der Gesell-
schaft nur König, Adel und Klerus unterscheidet, und lediglich
seine schwungvolle Sprache, seine feine und witzige Polemik
können zeitweise vergessen lassen, wie traurig es um die Prin-
cipien beschaffen ist, nach welchen de Maistre die von Pro-
testantismus und Revolution untergrabene Gesellschaft recon-
struiren will.
Aber nicht blos in der Restaurationsliteratur tritt uns
die Lehre von dem göttlichen Ursprunge der fürstlichen Gewalt
entgegen, dieselbe Anschauung wird auch in öffentlichen Acten-
stücken, vor allem in der Stiftungsurkunde der Heiligen Allianz
verkündigt. Gott soll der einzige sein, dem die Souveränetät
als Eigenthum zustehe; die Fürsten wollen sich nur als Beauf-
tragte Gottes betrachten. Allein es bleibt nicht bei dieser einer
bescheidenen Deutung wenigstens fähigen Behauptung, sondern
die Gründer der Heiligen Allianz stehen nicht an, das Unter-
thanenverhältniß dem Kindesverhältnisse gleichzustellen und da-
mit die Bahn zu betreten, welche vormals Robert Filmer 1)
den Stuarts nach der Restauration zu ihrem eigenen Unglück
vorgezeichnet hatte. Daß Fürsten es für ihre Pflicht erklärten,
wie Väter für ihre Völker zu sorgen, mochte wol als ein er-
freuliches Zeugniß für ihre Einsicht in die Pflichten der Herr-
scher angesehen werden; aber es lag nahe, aus dem angeblich
väterlichen Verhältnisse der Fürsten zu ihren Völkern auf
die Alleinberechtigung eines patriarchalischen Despotismus zu
schließen und zu behaupten, daß Souveräne in gleich erga-
1) In seiner Schrift: Patriarcha (1680). Vgl. auch Macaulay,
a. a. O., I, 69.