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und was Gottes Ordnung sei, könne niemand Schaden
bringen. 1)
Das waren einschmeichelnde Lehren für das Ohr einer
politischen Partei, welche gerade in jener Zeit den Entschei-
dungskampf focht gegen das Bestreben der Völker, ihre Rechte
urkundlich zu sichern und die Gewalt des Monarchen ver-
fassungsmäßig zu beschränken. Wie wohlthuend mußten den
angeblichen Legitimisten aller Länder Haller's Aeußerungen
über die Magna-Charta, welche von vielen im Munde ge-
führt, von wenigen gelesen und wegen der vielen veralteten
Ausdrücke noch weniger verstanden wurde 2), überhaupt über
die meisten geltenden Verfassungsurkunden klingen. Fast alle
Gesetze, auf welchen bis dahin das öffentliche Recht und die
bürgerliche Freiheit einzelner Völker geruht hatten 8), werden
von Haller entweder herabgesetzt und geschmäht oder als Be-
weis für die Richtigkeit seiner Ansicht von der Nutzlosigkeit
der Verfassungen, beziehentlich von der patrimonialen Natur
des fürstlichen Rechts, überhaupt von der Identität des Staats-
und des Privatrechts angeführt.
Rechnen wir hierzu noch die mit geradezu chnischer Ehr-
lichkeit von Haller an einem andern Orte 4) aufgestellte Be-
hauptung, daß die Nichthaltung eines auf revolutionäre Gesetze
geleisteten Eides sogar Verdienst und Pflicht für Fürsten und
Staatsmänner sei, obgleich derselbe Mann doch die Fürsten
als besonders treue Diener Gottes ansah und ihnen vor allem
eine strenge Beobachtung der göttlichen Gesetze zur Pflicht
1) Restauration der Staatswissenschaften, II, 67.
2) Ebendas., III, 380.
3) Ebendas., III, 377 fg.
*) Vergl. Mohl, a. a. O., I, 537.