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kein durchgreifender rechtlicher Unterschied bestehe. Aber auch
diesen Beweis haben die Anhänger der patrimonialen Theorie
nicht erbringen können. Ist auch aus dem alten Staatsrechte
das erbliche Recht auf die Repräsentation der Staatsgewalt
als ein regelmäßiger legislativer Abänderung oder Aufhebung
schlechterdings entzogenes Recht übriggeblieben, so hat sich
doch das ganze moderne Staatsrecht in der Theorie wie in
der Praxis dahin geeinigt, daß der Staat einen persönlichen,
organischen Charakter habe und deshalb nicht theilbar sein
könne wie ein Grundstück, daß die Staatsgewalt die Lebens-
kraft des Staats sei und daß nur ihre Ausübung dem Mon-
archen als dem „obersten Willensorgan des Staats“ 1) zustehe
kraft eines alten, in die staatliche Neubildung mit hinüber-
genommenen Rechts. Mit seltener Einstimmigkeit hat sich die
Wissenschaft gegen jede andere Auffassung des Staats und der
rechtlichen Stellung des Moenarchen erklärt; selbst der hoch-
conservative Stahl hat wol niemals einen schärfern Pfeil ver-
sandt als seine Kritik des Maurenbrecher'schen Werks. 2)
Das deutsche Staatsrecht ebenso wie dasjenige der übri-
gen Culturländer Europas hat sonach das Patrimonialprincip,
unbekümmert um dessen etwaige frühere Richtigkeit, jedenfalls
für die Gegenwart für unrichtig erklärt und einen Ausdruck
seiner Lehren in dem positiven Verfassungsrechte der deutschen
Länder gefunden. Der Monarch steht im Staate weder als
ein durch Gottes Gebot eingesetzter und nur durch dieses be-
schränkter Staatsherrscher, noch als ein Grundherr, dem die
Gewalt „Zunächst und rechtlich als sein Eigenthum zu seiner
1) Gerber, System, S. 71.
2) Richter's Kritische Jahrbücher für deutsche Rechtswissenschaft,
IX, 97 g.