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Napoleon selbst den Bestand seines Reichs, erweiterte dessen
Grenzen ohne Rücksicht auf die entgegenstehenden Rechte seiner
Bundesgenossen, seiner Verwandten, und versetzte sogar Monar-
chen, die er selbst erst gemacht, von einem Throne auf den andern.
So gab er seinen Vasallenfürsten weder die Macht, noch
die Zeit, zu ihren Völkern in jenes innige, durch eine ge-
meinsam verlebte Geschichte geweihte Verhältniß zu treten,
in welchem die alten Dynastien Europas zu ihren Völkern
standen oder doch stehen konnten. Mochten die Fürsten,
welche ihre Krone aus Napoleon's Händen empfingen, auch
noch so viel von dem überlebten Wuste des mittelalterlichen
Staatswesens beseitigen, in den alten Fürsten, deren Recht
das Volk als etwas Selbstverständliches hingenommen hatte,
weil der Ursprung desselben außerhalb seiner Erinnerung lag,
hatte doch die nationale und staatliche Existenz gegipfelt. In
ihnen war die Unabhängigkeit des Staats dem Auslande gegen-
über zur Erscheinung gekommen; sie waren die Träger eines
Völkerrechts gewesen, welches die Selbständigkeit der staatlich
geeinten Völker zur ersten Voraussetzung hatte. Dagegen er-
schienen die von Napoleon geschaffenen Könige, Großherzoge
und Herzoge nur als Würdenträger des Kaiserreichs, der völ-
kerrechtlichen Souveränetät entkleidet, als absetzbare Beamte
eines europäischen Dictators, der mit immer wachsendem Be-
wußtsein sich von der frühern Ordnung Europas lossagte, der
ohne Schonung und Rücksicht dem deutlicher und deutlicher
erkennbaren Ziele einer Universalmonarchie zustrebte und die
Rechtfertigung seiner phantastischen Plane in Karl's des Großen
kurzer Weltherrschaft fand. 1)
1) Leckie, De Péquilibre du pouvoir en Europe, traduit de
Anglais, S. 37. Gervinus, a. a. O., I, 6.