Full text: Das Legitimitätsprincip.

9 
Versuch, die nationale Unabhängigkeit und Wohlfahrt zu ver- 
theidigen, mußte solchen Bestrebungen gegenüber als Empö- 
rung erscheinen, die mit sofortigem Kriege, mit Entthronung 
der schuldigen Dynastie zu bestrafen sei. Ja, selbst der Krieg 
mußte den Charakter eines völkerrechtlichen Rechtsmittels ver- 
lieren, wenn er gegen den Herrn des europäischen Festlandes 
geführt wurde: diesem gegenüber konnte er nur Aufruhr sein, 
konnte von ihm auch nur niedergeschlagen werden durch die 
Execution des von ihm gesprochenen Verdammungsurtheils, 
nicht aber durch wirklichen Krieg, der auch dem Gegner das 
gleiche Recht gewährt. 
Napoleon ist auf vem Wege gewesen, dieses Ziel zu er- 
reichen. Schon durfte er fast wie Cicero sprechen: „Possum 
de omni regione, de omni genere hostium dicere: nulla 
gens est, quae non aut ita sublata sit, ut vix exstet, 
aut ita domita, ut qduiescat, aut ita pacata, ut victoria 
nostra imperioque laetetur.“ 1) Auch hat seine Behandlung 
des besiegten Feindes mehr als einmal darauf schließen lassen, 
daß er den Widerstand gegen seine Plane für ein strafbares 
Verbrechen, nicht für die Anwendung der im Völkerrechte zu- 
lässigen Selbsthülfe ansah. Die Gefahr, daß insbesondere 
das ganze westliche und mittlere Europa dem „seelenlosen 
Despotismus“:) eines Universalstaats verfallen werde, rückte 
in bedrohliche Nähe. Die Achtung vor Verträgen, vor den 
historischen Volksindividualitäten, vor der Existenzberechtigung 
der vorhandenen Staaten, vor dem Rechte der bestehenden 
Dynastien hatte der Kaiser längst abgestreift: es schien schlechter- 
) Cicero, Oratio de provinciis consularibus, cap. 12 i. f. 
:) Kant, Zum ewigen Frieden (Königsberg 1796), S. 63.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.