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sein soll. Vielmehr faßt das Staatsrecht aller Staaten, in
denen man sich der Natur und des Zweckes des Staats be-
wußt geworden, den Staat nur als die rechtliche Ordnung
auf, welche die Rechte der Einzelnen schützen und das Wohl
der Gesammtheit fördern soll, nicht aber als die weltliche Seite
einer religiösen Gemeinschaft. Mag sich auch bei den Bürgern
eines Staats eine bestimmte religiöse Ueberzeugung und dem-
zufolge eine Reihe bestimmter religiöser Zwecke deutlich aus-
gesprochen finden, mag infolge dessen auch die Entwickelung
des Staatsrechts factisch von einer bestimmten religiösen An-
schauung beeinflußt sein und diesen Einfluß sogar offen hervor-
treten lassen: dem Staate als solchem muß dennoch ein
bestimmter religiöser Charakter und Zweck vollständig abge-
sprochen werden. Der Staat wie das Staatsoberhaupt und
nicht minder die Staatsbürger als solche haben die Pflicht
wie das Recht, confessionslos zu sein, und ebendeshalb ist es
dem modernen Staate möglich, jeder den Staat nicht gefähr-
denden religiösen Genossenschaft seine Grenzen zu öffnen, ohne
damit den Glaubensstreit zwischen seinen Bürgern einzuleiten.
Die Erhebung der Erbmonarchie zu der das christliche Princip
realisirenden staatlichen Ordnung dagegen würde keinen andern
als den mittelalterlichen oder den mohammedanischen Staat
erzeugen, dem der Andersgläubige stets auch ein Andersberech-
tigter oder ein Rechtloser war.
Der einer frommen Anschauungsweise nothwendigen Ab-
leitung des Staats, der Monarchie, überhaupt alles Vorhan-
denen aus dem Willen Gottes als der sittlichen Rechtfertigung
der äußern Erscheinungswelt kann niemand widersprechen, der
sich nicht selbst der Intoleranz schuldig machen will, selbst
wenn diese Weltanschauung ein streng confessionelles Gepräge
tragen und sich für die Erkenntniß eines bestimmten religiösen