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Dann aber kann es nicht genügen, daß einer vorwiegend
aristokratischen Versammlung der staatsrechtliche Charakter
statt des frühern privatrechtlichen der alten Landstände auf-
geprägt, d. h. die Vertretung des ganzen Landes an Stelle
der ihr früher eingeräumten alleinigen Vertretung ihrer eige-
nen Rechte und Interessen übertragen wird. Vielmehr ist es
nöthig, daß die Vertretung des ganzen Landes und Volks sol-
chen Personen übertragen werde, welche die hierzu nothwen-
dige Fähigkeit besitzen. Aber selbst Stahl kommt es nicht bei,
eine derartige Fähigkeit der großen Grundaristokratie zuzu-
sprechen. Vielmehr gelangt er zu der Forderung eines her-
vorragenden politischen, verfassungsmäßig sichergestellten Ein-
flusses des Grundadels nicht sowol durch die Anerkennung der
politischen Intelligenz desselben, als durch die rein a priori
constrnirte Bedeutung des Grundbesitzes als der letzten Vor-
aussetzung alles staatlichen Lebens, aller Volkswirthschaft u. s. w.,
d. h. durch eine Reihe von Gründen, welche, so wahr sie
auch an sich sind, niemals und nirgends, außer in der neue-
sten Zeit, dem Grundadel einen Platz in den landständischen
Körperschaften verschafft haben. Aber wenn es deshalb un-
richtig wäre, die Bedeutung des großen Grundbesitzes leugnen
zu wollen, da eine solche als ununterbrochen wirksamer poli-
tischer Factor sich äußert: so ist es doch ebenso richtig, daß
die Grundaristokratie der reichen Fülle großer Culturinteressen,
dem schnellen Fortgange nationaler Rechtsentwickelung heutzu-
tage viel zu fern steht, um selbst beim besten Willen alle diese
in den Kreis der landständischen Fürsorge gehörigen Angelegen-
heiten anders als unklar vertreten zu können. So müßte
schließlich das Uebergewicht der Grundaristokratie in den land-
ständischen Versammlungen zu derselben Behandlungsweise der
den Ständen zugewiesenen Angelegenheiten führen, welche den